Rezension

Hier liegt der Fokus auf Wests Problemen - Ein gelungener Abschluss der Reihe

Caroline & West - Lass mich nie mehr los - Ruthie Knox

Caroline & West - Lass mich nie mehr los
von Ruthie Knox

Inhalt:

Seit der Trennung von Caroline und West sind zweieinhalb Monate vergangen. Als West nach langer Zeit bei Caroline anruft, um ihr mitzuteilen, dass sein Vater erschossen aufgefunden wurde, kann sie sich nicht mehr zurückhalten. Sie steigt in einen Flieger und reist nach Silt.

Als sie dort ankommt, wird sie jedoch nicht mit offenen Armen empfangen. West wollte sie nie hier haben. Es ist seine Heimatstadt. Das Leben, das er hier führt, ist dem Überleben gewidmet und kaum vorzeigbar. Es gibt dort lediglich das Leben seiner Familie, eigene Ambitionen müssen hintanstehen.

Caroline muss sehr bald spüren, dass West hier ein völlig anderer Mensch ist. Er distanziert sich von ihr, sorgt aber dafür, dass sie bei seiner Familie unterkommt, denn freiwillig will Caroline ja nicht abreisen. Als Caroline den Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstehen will, greift er zu härteren Mitteln, um sie los zu werden. Loslassen ist für ihn die Königsdisziplin der Liebe, er möchte Caroline nicht mit der Bürde seines Lebens belasten.

Doch Caroline durchschaut West. Ihre Liebe ist so groß, dass sie nicht bereit ist, ein Leben ohne ihn zu führen. Sie kämpft um ihn, mit allem, was sie zu bieten hat.

Wichtigste Charaktere:

Caroline ist in einem gut behüteten Elternhaus aufgewachsen. Ihr Exfreund Nate hat ihr Leben, indem er intime Bilder von ihr ins Internet gestellt hat, zerstört. Mit Hilfe von West ist es Caroline gelungen, wieder Fuß im Leben zu fassen. Durch diesen Vorfall ist sie zu einer sehr starken und selbstbewussten Frau herangereift.

West wurde als kleines Kind darauf geprägt, dass er die Vaterrolle in der Familie einnehmen muss. Seine Mutter braucht als psychisch labile Erwachsene seinen Schutz, vielmehr jedoch die kleine Schwester Frankie, die keinerlei elterlichen Halt erfährt. West ist ein Kämpfer, der keine Zeit hat auf seine eigenen Bedürfnisse zu blicken.

Frankie spielt in diesem zweiten Band eine tragendere Rolle. Als 10-jähriges Mädchen, hat sie eigene Probleme. Ihre Familie ist mehr Last als Stütze. Ihr einziger Fixpunkt ist der große Bruder West. In Caroline sieht das kleine Mädchen eine Vertraute, Freundin und vielleicht auch einen Ersatz für die Mutter, die sie de facto nicht hat. Sie ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Caroline & West.

Schreibstil:

In diesem zweite Teil legt die Autorin ihr Augenmerk auf die Probleme von West. Sie zeigt, was ihn bewegt und konfrontiert Caroline mit seinem Leben.

Die ersten Seiten des Romans resümieren sehr zügig das Geschehen und sorgen dafür, dass Caroline schon bald im Flieger nach Silt – der Heimatstadt von West - sitzt.

Hier zeigt die Autorin dem Leser einen sehr verschlossenen und fast schon unsympathisch wirkenden West.

Aus zwei verschiedenen Blickwinkeln erfährt der Leser, was die Charaktere bewegt. Jedoch wirken die seitenlangen Erklärungsversuche, wie ein Schritt am Abgrund. Es mag sich einem die Frage stellen, ob Caroline einmal mehr an einen Jungen gelangt ist, der ihr Leben zerstören wird und ob sie vielleicht dazu verdammt ist, die Opferrolle in einer Liebesbeziehung einzunehmen.

Caroline baut in dieser Zeit eine Bindung zu Wests Familie, insbesondere zu der kleinen Schwester von West, Frankie, auf. Auch die Großmutter und die Mutter lernt man nun genauer kennen. Dabei sind alle Charaktere sehr einzigartig.

Joan die Großmutter wirkt zum Beispiel eher cool, wenn sie dort strickend, rauchend und ständig mit einer Tasse Kaffee in der Hand da sitzt und kein Blatt vor den Mund nimmt. Wests Mutter hingegegen ist psychisch labil. Statt West zu unterstützen, sitzt sie ununterbrochen weinend auf der Couch und legt ihm in allem, was er tut noch Steine in den Weg. Sie verschenkt das Auto, welches die Familie dringend benötigt an einen Verwandten, weil der es gerne hätte, ohne über Konsequenzen nachzudenken. Ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse stehen stets über denen ihrer Kinder.

Spätestens im zweiten Teil dieses Buches, wenn Caroline einen Zugang zu West erhält, kann der Leser wieder die innige und einzigartige Liebesgeschichte ähnlich, wie im ersten Band, mitverfolgen. Die erotischen Szenen sind auch hier wieder sehr detailfreudig beschrieben.

Ruthie Knox gelingt es mit ihrem sehr feinfühligen und intensiven Schreibstil Zugang zum Leser zu finden. Egal, wie sie ihre Geschichte formt, man wird hineingerissen und fühlt jede Tat und nimmt nimmt jedes Wort war, als würde es an einen selbst gerichtet sein. Besonders Caroline gelingt es in diesem Band mit ihrem Durchhaltevermögen auf der einen Seite, dem Stolz, den sie nie ablegt und einer ruhigen Art Zugang zu Frankie und West zu finden. Psychologisch gesehen hat der Roman einiges zu bieten. Er zeigt dem Leser, dass es, egal, wie gemein das Schicksal zu einem sein kann, einen Ausweg gibt, wenn man sich nicht unterkriegen lässt und Hoffnung in sich trägt.

 

Fazit:

Dieser zweite Band bietet dem Leser mit dem Fokus auf die Probleme des zweiten Protagonisten – West – einen guten Abschluss der Reihe. Ruthie Knox bewegt sich hier stellenweise auf einem sehr schmalen Grad, wenn sie anfangs versucht dem Leser Wests Verhalten näher zu bringen.

Das vorgespiegelte Desinteresse entpuppt sich schnell als Großzügigkeit. Aber kann oder sollte man etwas Heißgeliebtes loslassen? Lieben heißt für viele besitzen wollen. Liebe ist oft egoistisch. Ein Liebender verhält sich zum Geliebten wie ein Drache zu seinem Goldschatz, schreibt Nietzsche. West ist hier anders.

Durch eine individuelle Charaktererschaffung, einen unglaublich intensiven Schreibstil und eine lebhafte Geschichte, in der Probleme psychologisch aufgearbeitet werden, schafft es die Autorin mit dem zweiten Band ihrer Caroline & West-Reihe den Leser zu bewegen.

Buchzitate:

Es ist zu spät am Abend für schlaue Ausreden, zu dunkel draußen für Ausflüchte.

„Du liebst ihn wirklich, was?“, fragt sie. Ich spüre Tränen in mir aufsteigen, aber ich hole tief Luft und schlucke sie wieder runter. „Ja.“

„Jeder schafft alles allein, West. Allein für sich selbst. Jeder. Aber es hilft, wenn man einen Grund hat und mein Grund warst du.“

Diesmal nehme ich ihm die Zigarette aus dem Mund. Ich lege meinen Mund an die Stelle, wo seine Lippen waren, ziehe vorsichtig an der Zigarette und nehme seinen Geschmack in mich auf.