Rezension

Holunder-Power

Die Holunderschwestern
von Teresa Simon

Bewertet mit 5 Sternen

Teresa Simon - Die Holunderschwestern - Heyne
München 1918 - 2015

Der  Anfang wird von einem mysteriösem Abschiedsbrief eingeleitet, die Verfasserin bereut zutiefst und weiß keinen anderen Ausweg mehr.
"Wenn du entdeckst, was ich dir angetan habe.."

München 2015
Katharina Raith ist Restauratorin mit Leidenschaft. Der Moment, in dem sich ihr die Seele des alten Möbels offenbart und die Luft vor Nostalgie vibriert, lässt sie die, oft wochenlange Arbeit vergessen. Wenn die Zeit still steht, ist es ihre größte Belohnung. Ihre Partnerin Isabelle fährt über die Dörfer und sammelt alles ein, vom Melkschemel bis zum alten Bauerntisch, die Werkstatt ist voll davon.
Dieses mal hat Isabelle ein echtes Juwel gefunden, einen vollständig intakten Krämerladen mit einer wunderschönen Glastheke. Ein alter Bauer bewahrt die Ladenzeile seit dem Krieg für seinen gefallenen Freund auf, der ihn damals in Sicherheit wissen wollte.

Katharina kocht Dampfnudeln, ein altes Rezept ihrer Urgroßmutter Fanny, eben noch die Hände im Teig, zückt sie schon fast die Nudelkulle, denn plötzlich, wie aus dem Nichts steht ein Fremder in Sonnenbrille vor ihr. Der gutaussehende Mann stellt sich als Alex Bluebird aus London vor, und wie es aussieht, waren ihre Vorfahren eng verbandelt. Er überbringt ihr die Tagebücher ihrer Urgroßmutter und ein kostbares Collier.

Fanny, die als junges Mädchen von Weiden allein nach München zog und bei einer jüdischen Familie als Köchin in Stellung ging. Fanny konnte wirklich aus allem etwas zaubern, was in der baldigen Zeit der Inflation und rationierten Lebensmitteln ein besonderer Segen war. Auch Lily und Paul Klee leihen sich Fanny gerne mal zum Gaumenstreicheln ihrer berühmt berüchtigten Gäste ein, es dauert nicht lange und Brecht und Feuchtwanger sind Fannys Kochkunst hörig. Eines Tages steht ihre eifersüchtige Zwillingsschwester Fritzie vor der Tür, auch sie will in München ihr Glück suchen, doch findet sie ein ganz anderes Umfeld. Fritzies unbeabsichtigt, aber schlechter Umgang, lässt Fanny frösteln.

Katharina kann es kaum fassen, diese Tagebücher sind kleine Zeitzeugen, verfasst in den Wirren des Krieges, geheimnisreich und schicksalsträchtig und es hat alles mit dem Erbauer des kleinen Ladens zu tun, ein Rätsel, das vor fast hundert Jahren begann.
Das Katharina in ihrem Leben etwas fehlt, fällt ihr erst auf, als sie Alex Bluebird trifft, es funkt, aber auch das muss warten:
Geheimnisse haben keine Geduld.

Spannend wie ein Krimi, Leseerlebnis mit Tiefgang, unterhaltsam, humorig und dramatisch. Ein genialer Roman, der viel Platz für Spekulationen bietet. Lange Atemzüge und Seufzer beim Lesen garantiert. Ahnenforschung, die mysteriöse Pfade betritt und Generationen verbindet.
Ich freue mich auf weitere Romane von Teresa Simon! Einfach SCHÖN!

Würde ich wieder ein Buch von Teresa Simon lesen? Jederzeit und immer wieder!