Rezension

In den Gangs von Neukölln

In den Gangs von Neukölln - Christian Stahl

In den Gangs von Neukölln
von Christian Stahl

Bewertet mit 5 Sternen

Die Wut ist Yehyas Sucht. Die Kriminalität seine Droge. Was er braucht, ist Entzug. Aber in den Gangs von Neukölln sind alle auf dieser Droge. Mit dreiundzwanzig hat Yehya E. eine eindrucksvolle Karriere hinter sich: Sohn palästinensischer Flüchtlinge aus dem Libanon, die erste Straftat mit sieben, Einser-Schüler und Tyrann an der Rütli-Schule, mit 15 Boss von der Sonnenallee. Drei Jahre Gefängnis, dann Vorzeige-Aussteiger aus der kriminellen Szene, Streitschlichter in Neukölln, Liebling der Politiker. Er scheint es geschafft zu haben. Plötzlich der Rückschlag. Wer hat versagt? Schonungslos und kritisch erzählt Christian Stahl von einer steilen kriminellen Karriere und dem schwierigen Weg des Ausstiegs, der jederzeit scheitern kann. Ein ebenso einzigartiger wie intimer Bericht über das kriminelle Leben in der parallelen Welt von Neukölln jenseits der Klischees des deutschen Boulevards.

Ich stand ‘In den Gangs von Neukölln‘ zunächst etwas kritisch gegenüber, ich komme selbst aus Berlin, kenne Neukölln und die dortigen Gepflogenheiten gut. Ich weiß auch, wie viele verschiedene Standpunkte es zu der Situation in Neukölln gibt, die Yehya E. zum Teil widerspiegelt. Dieses Buch ist, ganz ohne Frage, ein polarisierendes Werk, das zum Nachdenken und Hinterfragen anregt.
Christian Stahl hat es jedoch gleich zu Beginn der Lektüre geschafft einen eindringlichen und authentischen Erzählstil zu wählen, so dass der Leser von Beginn an in der Geschichte drinnen ist.
Mir gefiel der Aufbau des Buches auch sehr gut, es war nicht alles chronologisch angeordnet, einige Dinge wurde vorweg genommen, andere zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen. Dadurch entstand meiner Meinung nach ein sehr lebendiges Lesegefühl und die Atmosphäre des Buches passte zum dargestellten Inhalt.
Christian Stahl hat Yehya E. zehn Jahre begleitet, da bleibt die Objektivität natürlich außen vor. Daher hat Christian Stahl eine bewusst subjektive Perspektive gewählt, durch welche sich der Leser besonders mit emotionalen Faktoren konfrontiert sieht. Denn eins ist das Buch unausweichlich: emotional. Es wurde nicht versucht die Taten zu beschönigen oder zu rechtfertigen – das ist auch nicht das Ziel des Buches. Hier wurde ein Tatsachenbericht geschrieben, der trotz der Subjektivität, oder grade deswegen, erschreckend einfühlsam und authentisch ist, der zum Nachdenken und Diskutieren anregt, der aufwühlt und noch lange im Gedächtnis bleibt.