Rezension

Intelligent und ungewöhnlich - endlich mal wieder ein richtig guter Krimi!

Schweigend steht der Wald - Wolfram Fleischhauer

Schweigend steht der Wald
von Wolfram Fleischhauer

Bewertet mit 5 Sternen

Also ganz ehrlich, ein Krimi von einem deutschen Autoren, der zu weiten Teilen in einem abgelegenen Dörfchen tief im Bayerischen Wald spielt; bei dem es um die Aufklärung eines Vermissten-Falls von 1979 geht; deren Hauptfigur eine Forstwirtschafts-Praktikantin aus München ist und der noch dazu „Schweigend steht der Wald“ heißt: ich hatte ja so meine Zweifel... .

 

Mit nach Hause genommen habe ich mir das Buch, weil mir mehrere vertrauenswürdige Personen, unabhängig voneinander nahegelegt haben mal einen „Fleischhauer“ zu lesen, denn dieser Autor könne wirklich schreiben. Und tatsächlich, genauso ist es. Was er aus dieser im Klappentext etwas tröge daherkommenden Story macht, ist unglaublich spannend. Alles in allem habe ich „Schweigend steht der Wald“ an zwei Abenden, oder besser in zwei Nächten, runter gelesen, weil ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen mochte.

 

Zur Geschichte:

 

Wir schreiben das Jahr 1999. Anja Grimm, eben jene erwähnte Münchener Forstwirtschafts-Studentin, macht ein Praktikum im Forstamt Waldmünchen im Bayerischen Wald. Es ist nicht der reine Zufall, dass sie hier ist, denn vor zwanzig Jahren hat sie mit ihren Eltern auf dem Gollashof, im nahegelegenem Faunried, Ferien auf dem Bauernhof gemacht. Damals ist ihr Vater spurlos verschwunden. Die polizeilichen Ermittlungen blieben erfolglos, die Leiche konnte trotz intensiver Suche nicht gefunden werden. Xaver Leybach, der geistig zurückgebliebene Sohn des Nachbarhofs, war eine Zeit lang verdächtig, konnte aber nicht überführt werden. Schließlich ging die Polizei von einem Unglücksfall aus und schloß die Akten.

 

Als Anja mit einem Kollegen im Leybach-Wald Bodenproben entnimmt entdeckt sie Unregelmäßigkeiten: an einer Stelle, so scheint es, wurde der Boden im großen Stil umgegraben und die Erde ausgetauscht. Als sie zurückkehrt, um sich die Stelle genauer anzusehen, steht vor ihr Xaver Leybach und bedroht sie mit einem Gewehr. Sie kann ihn beruhigen und sich in Sicherheit bringen, aber Xaver geht nach Hause, erschlägt seine bettlägerige Mutter und erhängt sich selbst an einem Hochsitz.

Den von Anja ausgesprochene Verdacht, ihr Vater könne an dieser Stelle vergraben sein, ignoriert der Kriminalbeamte, der den Amoklauf Xavers untersuchen soll. Stattdessen wirft er ihr vor, mit ihrem Auftauchen den grundsätzlich harmlosen Xaver schockiert und so die Ereignisse provoziert zu haben.

Trotzdem kommt Bewegung in die Geschichte und es zeigt sich, dass das mysteriöse Verschwinden von Anjas Vater nicht der einzige Geheimnis des Leybach-Hofs ist.

 

Spannend bis zum Schluss bleibt Fleischhauers Krimi, weil er immer wieder unerwartete, aber glaubhafte Wendungen einbaut und den eigentlichen Fall nutzt, noch ganz andere nicht minder interessante Geschichten zu erzählen.

 

Eine nicht unerhebliche Rolle bei der Aufklärung des Verschwindens von Anjas Vater spielt der Wald selbst und das ist das wirklich Besondere an diesem Buch. Dass es möglich ist anhand von Bodenproben zu erfahren, wann und in welcher Art ein Boden umgegraben wurde, oder dass das Wachstum einer bestimmten Pflanzenart davon herrühren kann, dass vor vielen Jahren ein schweres Fahrzeug über diese Stelle fuhr, war mir bis dato nicht bekannt. So hilft es Anja  bei ihren Nachforschungen sehr, dass sie die Zeichen des Waldes lesen kann.

Es erinnert ein wenig an die Ermittlungsarbeit eines Gerichtsmediziners oder forensischen Anthropologen, ist aber doch ganz anders.

Ein grandios spannendes, intelligentes Buch also, in einer wunderbar klaren Sprache geschrieben. Es sollte allen gefallen, die „Tannöd“ mochten von Anna Maria Schenkel, Krimis von Elisabeth Herrmann oder auch die Krimi-Reihe von Simon Beckett rund um den forensischen Anthropologen David Hunter.