Rezension

Intensive Mutter-Sohn-Studie

Der Wald - Nell Leyshon

Der Wald
von Nell Leyshon

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch hat es mir nicht ganz leicht gemacht, es zu mögen. Durch den guten Austausch während eines Buddyreads ist mir aber eine intensivere Auseinandersetzung geglückt und dafür bin ich sehr dankbar.

Die Autorin lässt uns an einer intensiven Betrachtung einer Mutter-Sohn-Beziehung zu drei besonderen Wendepunkten im Leben der beiden teilhaben. Die Erzählung beginnt im Jahre 1944 in den traumatischen Kriegszeiten in Warschau, zeigt uns die Phase des Stillstandes während des Versteckens im Wald und die spätere Lebensfindung im Exil.

Die Autorin hat die Geschichte förmlich in eine an- und absteigende Kapitelform gegossen und diese mit symbolhaften Überschriften garniert. Das Erzählte konzentriert sich auf das Innenleben von Mutter und Sohn, findet gefühlvolle Bilder, ist sprachlich ausgefeilt und unterstützt durch die sparsame Handlung und die Beobachtung der Alltäglichkeiten eine intensive Wahrnehmung der Protagonisten und ein Mitschwingen mit ihrem Inneren.

In manchen Teilen habe ich mich etwas gegen die starre Form gestemmt und konnte mich dem inneren Fluss der Mutter nicht so hingeben. Dann wieder war ich fasziniert von der Klarheit ihrer Gedanken und ihrem Blick auf das Frau und Mutter sein sowie auf das Altern.

Mit dem Sohn und seiner überbordenden Phantasie fiel es mir leichter zu gehen. Bis zu der Wendung im dritten Teil, auf die ich mich nicht ausreichend vorbereitet fühlte - im Nachhinein aber zugeben muss, dass ich vielleicht eine ähnlichen Weigerung erlegen bin wie die Mutter. "Mütter wollen nicht alles wahrhaben."

Ein Buch für das es Zeit braucht, das einlädt, mit in die Tiefe zu steigen und in Resonanz zu gehen.
Dann wird man reichlich belohnt und wird sich auch einige Zeit noch damit beschäftigen.

Für handlungsorientierte Leser eher keine Option.