Rezension

Intensives, facettenreiches Buch über das Problem einer Generation

Die Glücklichen - Kristine Bilkau

Die Glücklichen
von Kristine Bilkau

Bewertet mit 4 Sternen

Sind es wirklich "Die Glücklichen"?

Ob man ein Paar als glücklich bezeichnet, kommt eigentlich auf die Perspektive an, unter der man es sieht. In diesem Fall hier allerdings passte das „Glücks-Klischee“ absolut.

Isabell, Georg und Sohn Matti besaßen eine großzügige, helle Altbauwohnung in einem eleganten, beliebten Stadtviertel, wo die Jungen, Privilegierten mit ihren Familien ihr wohlsituiertes Leben führten. Sie hatten Zugang zu Allem, was gut und teuer war, von der Selbstverständlichkeit erlesener Weine und Delikatessen bis zum Bummel durch exquisite Boutiquen, Cafés und Trendläden.

Nach Beendigung der Babypause konnte Isabell zurückkehren in ihren Beruf als Cellistin. Vielleicht war die Abendanstellung im Orchester eines Musicaltheaters nicht der absolute Traumjob für sie, aber Matti hatte einen Platz im Kindergarten, und was der Haushalt als Einsatz erforderlich machte, konnte sie sich mit Georg teilen, der als Journalist einer Tageszeitung freie Mitarbeits-Zeiten hatte. Es schien alles wunderbar geregelt bis auf plötzlich auftretende, kleinere Unstimmigkeiten..... denn mehr war es doch eigentlich nicht, dieses Zittern der Hände, die Angst zu versagen und das aufflammende Lampenfieber, das sie häufig vor Beginn der Vorstellung packte.

Vielleicht waren die Anforderungen, die das Leben an sie stellte, zu hoch, war die doppelte oder gar dreifache Pflicht für Beruf, Mann und Kind doch nicht so spurlos zu bewältigen. Die Symptome kamen schleichend wie ein lautloser Feind. Sich einander zu offenbaren schien keine Option, das heil anmutende Gefüge sollte nicht verletzt werden, zumal auch Georg betroffen war, als seine Zeitung ihm in der allgemein herrschenden Krise keine berufliche Sicherheit mehr bot und damit das finanzielle Fundament ins Wanken geriet.

Krampfhaft versuchte man auf beiden Seiten das Sterben von Zukunftsträumen zu verhindern und sich an Irrealem festzuhalten.

Halt aneinander zu finden, Sicherheit zu spüren, die aus Gemeinsamkeit entsteht, schien nicht möglich, weil beide Menschen erkannten, dass ihr Verhältnis zerbrechlich geworden war, als sie ihr unbeschwertes Leben aufgeben mussten und damit ihr vermeintlicher Anspruch auf Sicherheit erlosch.

Kristine Bilkau hat ein sehr intensives, kluges Buch geschrieben, dessen Gedanken und Bilder nach dem Lesen noch lange verweilen und Ersatz für die ein wenig minimalistische Handlung sind. Sie taucht facettenreich ein in unsere Zeit, in die Situation eines sozialen Standes, spricht über dessen Erwartungen, Ansprüche und Forderungen ebenso wie über alle Ängste, Einsamkeiten und Sehnsüchte. Die Autorin vermittelt mit klaren, gefühlvollen Worten den authentischen Verlauf einer Verunsicherung, der ebenso gut jeder Lesende zum Opfer fallen könnte, und die wortreiche Sprache, die über Längen ohne wörtliche Rede auskommt, hält für mich die Bindung des Lesers zum Protagonisten auf besondere Art gleichzeitig eng als auch neutral, sodass man nicht einmal ihre Namen gebrauchen müsste, wenn es nicht des Erkennens bedurft hätte.

Für mich ein interessantes, vielschichtiges Debüt.