Rezension

"...irgendwo am Rand der Menschheit..."

Am Rand
von Hans Platzgumer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Beim Lesen des Klappentextes hatte ich eigentlich einen krimiähnlichen Roman erwartet, wurde stattdessen aber mit einer fesselnden Lebensbeichte der besonderen Art überrascht. Der 42jährige Südtiroler Gerold Ebner steigt frühmorgens auf den Bocksberg, um niederzuschreiben, was ihn dorthin geführt hat: Er erlöste seine Mutter von ihrem terrorisierenden Vater, seinen besten Freund von dessen Leiden und außerdem wurde ihm sein großes Glück vom Tod genommen. Fesselnd bis zum Schluss schildert der Ich-Erzähler die Ereignisse, die ihn seit seiner Kindheit an den Rand der Gesellschaft und schließlich zum Rand des Felsens geführt haben. Gleich zu Beginn wird man als Leser von dem oft lethargisch und dem Schicksal einfach nur ergeben wirkenden Ich-Erzähler persönlich angesprochen und ins Vertrauen gezogen. Ein Privileg, das man erst zu würdigen weiß, wenn man nach und nach den Protagonisten kennen und verstehen lernt – warum er sich von der Gesellschaft abgrenzt, kaum menschliche Nähe zulassen kann, mehr oder weniger funktioniert ohne Besonderes zu leisten oder dies anstreben zu wollen. Fast könnte man ihm verzeihen, dass er auch komplett aus der Rolle fallen und menschlichem Leben gewaltsam ein Ende setzen kann. Und doch fragt man sich, ob es sich hierbei tatsächlich um Mord oder doch eher einen Gefallen handelt. Aber es gibt in diesem Roman generell kein schwarz oder weiß, sondern viel Stoff zum Überlegen. So konnte Gerold Ebner rückblickend schließlich zwar auch Nähe zulassen, was in diesem von nachdenklicher grauer Stimmung geprägten Roman zwar ein Lichtblick ist, der aber wiederum nicht ohne Schatten daher kommt. Obwohl dieser Roman eher ernster Natur ist, lässt sich das Buch leicht lesen und entwickelt dabei trotz der ruhigen erzählweise einen Sog, der mich nicht mehr losgelassen hat. Mit „Am Rand“ hat es Hans Platzgumer auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2016 geschafft. Für alles weitere drücke ich beide Daumen!