Rezension

Keine leichte Kost - Eindringlich

Landgericht - Ursula Krechel

Landgericht
von Ursula Krechel

Die Geschichte einer Familie, die sich während des Krieges verliert und auch danach nicht wieder richtig zusammenfindet, sei es örtlich wie auf der emotionalen Ebene. Beeindruckende Geschichte, die schildert, wie tief der 2. Weltkrieg seine Spuren hinterlassen hat - bei den Menschen und im Gesellschaftssystem.

Landgericht handelt vom Richter Kornitzer, dessen Karriere aufgrund seiner (nicht ausgeübten) Religion durch den 2. Weltkrieg abrupt unterbrochen wird. Er emigriert nach Kuba, die Kinder werden der Sicherheit wegen nach England verschifft, Claire seine Frau bleibt zurück und muss sich als Frau eines Juden ebenfalls allein durchkämpfen. Nach dem Krieg kehrt Kornitzer wieder zurück nach Deutschland und versucht, seine Familie wieder zu vereinen. Durch die lange Trennung entfremdet, nähern sich die Eheleute nur langsam wieder an, das aber auch nur sehr verhalten. Die Kinder sind als Kleinkinder bereits nach England gekommen, nun fast erwachsen. Sie reagieren mit Abneigung, als die Eltern wieder versuchen, sie nach Deutschland zurückzuholen, verbleiben letztlich bei der Pflegefamilie. Der restliche Kontakt ist eher sporadisch.

Ein Hauptaspekt des Romans handelt von der Wiedergutmachung, die Kornitzer erwartet und permanent einfordert. Eindringlich werden dabei die bürokratischen Hürden aufgezeigt, die Abneigung seiner Umgebung, sich mit seiner Vertreibung und dem Unrecht, welches ihm angetan wurde, auseinanderzusetzen. So stößt er häufig auf Widerstand, muss um seine Beförderung kämpfen. Letztlich scheint es, dass er seine Lebensfreude über diesen permanenten Kampf mit den Behörden verliert,  bzw. sich eben vordergründig nur noch um diese Vorgänge kümmert.

Der Schreibstil von Ursula Krechel ist sehr ausgewählt, Sprache wird eloquent eingesetzt, was ich sehr mag aber das Lesen nicht unbedingt schnell macht. Viele Facetten werden aufgezeigt, Deutschland in der Nachkriegszeit als trist und verhalten stilisiert. Richter Kornitzer büßt mit seinem Nervenköstüm, wird ehrenhalber vorzeitig in den Ruhestand entlassen, damit er quasi "endlich Ruhe gibt". Ich fand es sehr traurig, dass diese verfolgten Menschen so wenig individuelle Beachtung bekommen haben. Denn es geht letztlich nicht um das kollektive Bedauern bzw. eine Entschuldigung, sondern vielmehr darum, dass sich der Mensch als Mensch wahrgenommen fühlt - und zwar von jedem Einzelnen in seiner Umgebung.

Wie gesagt, keine leichte Kost, aber ein sehr eindringlicher Roman, der ein Stück deutscher Vergangenheit aufarbeitet.