Rezension

Keyserlings Geheimnis

Keyserlings Geheimnis - Klaus Modick

Keyserlings Geheimnis
von Klaus Modick

Bewertet mit 4 Sternen

Eduard Graf von Keyserling, geboren Mitte des 19. Jahrhunderts auf Schloss Paddern bei Hasenpoth im heutigen Lettland, hat sich früh schon eher zu Kunst und Literatur hingezogen gefühlt und konnte dem elterlichen Gut nur wenig abgewinnen. Da er nicht der älteste Sohn war, bestand jedoch auch nicht Gefahr, dieses übernehmen zu müssen. Nichtsdestotrotz bestand der Vater auf ein nützliches Studium und so kam er in Dorpat an die Rechtsfakultät. Das Studentenleben genoss er in großen Zügen, doch dann kam es zu etwas, das er selbst nur den „Dorpater Skandal“ bezeichnet und was ihn zur überhasteten Flucht nach Wien trieb. Im Kreise anderer Dandys lässt er es sich dort sowie in München gutgehen, an eine Rückkehr ist nicht zu denken, bei dem, was damals geschah – aber was war es nur, dass die Erde so verbrannt hat?

Klaus Modick hat für seinen Roman auf Eckdaten des baltischen Grafen zurückgegriffen, die Geschichte selbst ist jedoch fiktiv. Der reale Graf hat die im Roman genannten Werke, unter anderem „Fräulein Rosas Herz“, tatsächlich verfasst und wird heute als impressionistischer Erzähler anerkannt.

Der Roman lebt natürlich von der Frage, was damals geschah, das Geheimnis wird jedoch bis zum Ende gehütet. Davor bekommen wir einen höchst amüsanten Einblick in das Leben eines Dandys im Fin de siècle, der unter seinem nicht standes-adäquaten Aussehen leidet und von der Karriere als Schriftsteller träumt. Der Alltag wird von entspanntem Laissez-Faire mit Ausflügen, Diners und Glücksspiel bestimmt. Modicks Figur ist geradezu mustergültig und steht beispielsweise den faszinierenden Figuren eines Oscar Wilde in nichts nach.

Weniger als die Handlung ist es jedoch Modicks geradezu virtuose Schreibweise, die den Roman zu einem herrlichen Vergnügen macht. Selbstzweifel kennt der Protagonist, außer bezogen auf sein Äußeres nicht,

„Ihm reicht es, ein höflicher, stilbewusster, geistreicher Mensch zu sein.“

und er hat eine durchaus realistische Einschätzung seiner Fähigkeiten:

„Von Landwirtschaft hatte Keyserling nicht den Hauch einer Ahnung, von Verwaltung und Betriebsführung zu schweigen, und was die Finanzen anging, beschränkten sich seine Erfahrungen und Kenntnisse aufs Schuldenmachen. Wahrscheinlich würde auch er selbst sich als Romanfigur, als komischer Kauz oder trauriger Held, besser eignen denn als tatkräftiger Gutsherr. Er nahm sich vor, Notizen zu machen, sobald diese Konferenz überstanden wäre.“

Zahlreicher dieser ironisch-zweideutigen Passagen finden sich und lassen einem amüsiert dem weiteren Verlauf der unheilvollen Geschichte des jungen Grafen folgen.