Rezension

Klassisches Abenteuer mit positiver Überraschung

Der Schatz im Silbersee - Karl May

Der Schatz im Silbersee
von Karl May

Bewertet mit 4 Sternen

Klappentext: Mit Winnetou, Old Shatterhand und Old Surehand [!] kämpfen in diesem Roman drei große Helden gegen die mörderische Schurkenbande um Cornel Brinkley, die einen sagenumwobenen Schatz aus dem Silbersee erbeuten will. Doch auch ein feindlicher Indianerstamm hat sein Kriegsbeil ausgegraben.

Also zunächst mal müsste es nicht Old Surehand (gibt es den überhaupt?), sondern Old Firehand heißen ;-). Solche Patzer im Klappentext müssten eigentlich nicht sein, lieber dtv...

Bei diesem Buch kommt aber hinzu... angefangen habe ich es am 17. April, ich habe es als Geschenk erhalten und mich sehr darüber gefreut, musste aber erstmal einige andere Bücher lesen, ehe ich damit anfangen konnte. Dann aber kam mir dauernd etwas dazwischen. Erst die Pflichtlektüre "Im Namen der Rose" für das Fach 'Mittelalterliche Wirtschaftsethik', dann die zwei für meine Bachelorarbeit wichtigen Bücher "Stiller" und "Das Phantom des Alexander Wolf", dann wieder ein zeitgebundenes Leserundenbuch... kurz, ich habe die Lektüre vom Silbersee gefühlte 50 mal unterbrochen. Teilweise mitten in der Handlung.

Und hier kommt ein Punkt ins Spiel, der eindeutig für das Buch spricht: Es ist auf eine Art und Weise geschrieben, dass man jederzeit wieder einsteigen konnte, auch nach drei Wochen. In regelmäßigen Abständen wird die Handlung aus der Sicht anderer Figuren noch mal von hinten aufgerollt, sodass wichtige Ereignisse dem Leser regelmäßig neu in Erinnerung gerufen werden. Auf diese Weise hatte ich bei keinem meiner zahllosen Wiedereinstiege das geringste Problem.
Schwierig waren für mich höchstens die Stellen, an denen der Autor unbedingt verschriftlichten sächsischen Dialekt einfügen musste, wie er ihn aus seiner Jugend von vor 150 Jahren kannte. Womit mir mal wieder vor Augen geführt wurde, dass lange Dialoge in Dialekt in Büchern beim Lesen ein No-Go sind. Die Stellen, in denen sich mehrere Sachsen unterhalten und das über Seiten hinweg waren einfach nur anstrengend... Zum Glück kam das nicht sooo oft vor.

Dafür überraschte mich das Buch immer wieder positiv mit den antirassistischen, teilweise sehr modern anmutenden Äußerungen, die Karl May einigen Figuren in den Mund gelegt hat. Er machte auf sehr sensible Weise darauf aufmerksam, dass alle Menschen - ob Weiße, Ausländer, Einwanderer, Indianer, Schwarze oder sonstwer - die gleichen Rechte haben und Respekt verdienen und kritisierte, wie dies zu seiner Zeit gehandhabt wurde. Das hätte ich um ehrlich zu sein nicht von einem Buch aus dem späten neunzehnten Jahrhundert erwartet (ich bin es da eher gewöhnt, bei einigen Aussagen ein wenig Bauchweh zu kriegen und mich mit "naja, so dachte man halt damals" notdürftig zu trösten, hier war das nicht nötig).

Klar, Karl May baut nicht auf die Weise Spannung auf, wie wir es gewohnt sind. Und ja, einige seiner Charaktere würden heute unter die Schablone "Gary Stue" fallen - perfekte, unbesiegbare Abbilder dessen, was der Autor gerne wäre.
Dennoch ist "Der Schatz im Silbersee" absolut lesenswert für alle, die klassische Abenteuerromane lieben.