Rezension

Krumme Geschäfte in Tokios Baugewerbe

Stahlblaue Nacht - Tetsuya Honda

Stahlblaue Nacht
von Tetsuya Honda

Bewertet mit 3.5 Sternen

In Tokio wird eine abgetrennte Hand gefunden; der Körper dazu fehlt bisher. Fingerabdrücke am Fundort führen zu Kenichi Takaoka, einem Subunternehmer, der für große Bauunternehmen arbeitet. Die schwere Verletzung muss direkt zu seinem Tod geführt haben. Ein noch unbekannter Icherzähler berichtet in einem weiteren Handlungsstrang vom Tod seines Vaters, der von einem Baugerüst stürzte, und wie ein älterer Kollege des Vaters sich um das Waisenkind kümmerte.

Zwei Teams der Tokioter Mordkommission ermitteln im Bekanntenkreis des Mannes und in der Baubranche. Die Verknüpfung von Nakabayashi Construction mit der japanischen Mafia scheint zunächst mit dem Todesfall nichts zu tun zu haben. Kein Zufall kann jedoch sein, dass auf Baustellen der Firma mehr als ein Arbeiter vom Baugerüst in den Tod stürzte, für den eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen war. Die Wende für die Ermittlungen bringt die Entdeckung, dass ausgerechnet zwischen den Kindern zweier Unfallopfer eine enge Beziehung besteht - und dass der tote Bauarbeiter nicht der magere Junge mit zwei linken Händen sein kann, als den den seine Altersgenossen Kenichi Takaoka kennen.

Seit der Mordserie vom Vorjahr, in der die Kommissare Reiko und Kusaka im ersten Band der Serie ermittelten, hat sich an den Strukturen der Kripo nichts verändert. Reiko Himekawas Team steht noch immer auf Kriegsfuß mit der Truppe von Mamoru Kusaka. Immer wenn die konkurrierenden Hauptkommissare zusammen arbeiten müssen, erhält der Konflikt neue Nahrung. Reiko kann sich täglich von Neuem darüber ereifern, wenn sie die "Schuhsohlenarbeit" im Zweierteam mit einem ihrer Ansicht nach unwürdigen Kollegen zu erledigen hat. So forsch und so sachlich wie ihr Ruf als coole Ermittlerin vorgibt, ist Reiko im Alltag längst nicht. Kusaka konnte sie seit ihrem ersten Arbeitstag nicht leiden. Während der Ermittlungen tritt sie ihm arrogant und voreingenommen gegenüber. Weil Kusaka ihr grundsätzlich nichts recht machen kann, verliert Reiko allerdings meine Sympathie und wirkt zunehmend wie ein schmollender Teenager. Dass die Kollegen ihre gewohnte Routine durchziehen und sie häufig ignorieren, beruht vermutlich auch auf Reikos Verhalten, nicht nur auf der Tatsache, dass sie jung und weiblich ist. Während sie sich auf ihren Instinkt verlässt und anschließend Beweise für ihre Hypothesen sucht, setzt Kusaka auf akribische Zeugenbefragungen und auf seine schnelle Auffassungsaufgabe.

Tetsuya Honda bleibt auch im zweiten Band der Reihe seinem Hang zu abstoßend blutigen Kapitalverbrechen treu. Das Setting des Falls in der Bauindustrie und Kusakas Arbeitsweise, viele Ermittler zu Fuß zur Zeugenbefragung zu schicken, kommt meinen Interessen als Krimileser sehr entgegen. Unter einem Bauarbeiter hatte ich mir spontan einen Maurer oder einen Betonbauer vorgestellt. Logisch. Japanische Bauarbeiter sind - hier - jedoch eher Tischler oder Gerüstbauer. Logisch.

Eine Auflösung, die teils durch den inneren Monolog eines Icherzählers erfolgt, wird nicht jedem Leser zusagen. Stilistisch finde ich diesen Band schwer zu verdauen, weil ein aufgesetzter, altertümlich wirkender Slang sich nicht auf die Kommunikation innerhalb einer Generation beschränkt, sondern auch gegenüber Vorgesetzten, Untergebenen und Zeugen benutzt wird. Weder zur streng hierarchisch geordneten Gesellschaft Japans noch zu einer Handlung in der Gegenwart (das Original ist 2009 erschienen) passt dieser aus der englischen Ausgabe übersetzte Alltagslang meiner Ansicht nach.