Rezension

Leben in der DDR und im Ostblock - sehr erschütternde und berührende Familiengeschichte

Der bulgarische Arzt - Nicki Pawlow

Der bulgarische Arzt
von Nicki Pawlow

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der aus Bulgarien stammende Wantscho wird wegen des Ärztemangels in der DDR der 60er Jahren angeworben und verliebt sich dort in die junge Rose. Sie folgt ihm schließlich nach Bulgarien, wo die Armut und das Elend, aber auch der familiäre Zusammenhalt und die Freundschaften sehr groß sind. Als Rose mit ihrer Tochter schwanger wird, flüchtet sie sich zurück in die DDR-Provinz zu ihrer Mutter, die schon vor der Ehe etwas gegen Wantscho hatte. Und sie scheint recht zu behalten, denn der Psychiater Wantscho kommt mit seiner Arbeit und dem Tag für Tag erlebten Elend seiner Patienten und einer ignoranten Gesellschaft sowie einem System, dass kaum mehr seinem Ideal von Kommunismus entspricht, immer weniger klar und fängt an zu trinken. Die Flucht in den Westen könnte für die Familie die Rettung sein und so beginnen die Planungen...

Der Familienroman hat starke autobiografische Züge, was man meiner Meinung nach besonders in der zweiten Hälfte merkt, sowie in der Gegenwart der Ich-Erzählerin, die die Tochter Nicki darstellt, die im Angesicht ihres gealterten, bettlägerischen und pflegebedürftigen Vaters über das Leben ihrer Familie nachdenkt.

Der Erzählstil wechselt im Verlauf der Erzählung, was ich sehr interessant fand. Von einem eher distanzierten und objektiv gehaltenen Ton entwickelt er sich zu einer emotionaleren, auch analytischen und wärmeren Tonart, je weiter das Verständnis und die Versöhnung der Ich-Erzählerin mit ihrer Familie, vor allem mit ihrem Vater, voranschreitet.

Was mir besonders gefallen hat, ist die Beschreibung des Lebens in der DDR und in Bulgarien. Es war für mich teilweise schwer erträglich, von solcher Einöde und Tristesse, verbunden mit Mangel und teilweise wirklich erdrückender Armut, zu lesen, ebenso von der Misshandlung der psychisch Kranken und der für die Tochter als Kind schwierigen familiären Situation, die auf der psychischen Belastung des Vaters beruhte.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Erzählstil und einigen Längen im ersten Teil des Buches hat mich die Familiengeschichte dann doch eingefangen und ich habe mit den Personen mitgefiebert.

Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen und ich kann es daher weiterempfehlen!