Rezension

Lichtblicke

Everything is okay -

Everything is okay
von Debbie Tung

Inhalt:

Immer wieder hat Debbie das Gefühl, es anderen recht machen zu müssen. Es kommt nicht selten vor, dass ihr Chef sie bittet Überstunden zu machen. Oft arbeitet Debbie dann bis spät in die Nacht an einem neuen Projekt, das dann letztlich doch zu oft über den Haufen geworfen wird. Nebenher versucht sie ihren Traum von einer Karriere als Illustratorin voranzutreiben. Doch auch hier stößt sie immer wieder an ihre Grenzen. Sie fragt sich, ob es im gesamten kulturellen Leben einen Beruf gibt, der sich so unterbezahlt vorkommen muss.

So wandert Debbie übermüdet von der Arbeit durch ihren Tag. Oft fehlt ihr die Kraft, sich mit ihren Eltern zu treffen, mit ihnen zu telefonieren oder Zeit mit Freunden zu verbringen. Sie könnte Tage nur im Bett liegen, spürt keine Motivation aufzustehen und sich dem Tag zu stellen.

Debbie denkt viel nach. Über ihr Leben, über das, was in der Welt passiert, über andere. Nicht selten versinkt sie in Selbstzweifeln; in Trauer, in starkem Kummer. Sie fühlt sich vom Leben überfordert, fragt sich, warum andere Menschen stets so unbeschwert und glücklich durchs Leben gehen. Was stimmt mit ihr nicht, dass sie diese Leichtigkeit nicht empfindet? Ihr Leben ist durch Unsicherheit und Lebensangst geprägt.

Die düsteren Gedanken sind erst nur schwer zu ertragen. Dann kommt eine erste Panikattacke. Die Hilflosigkeit, die Debbie hier verspürt, ist ein Weckruf. Auf Antriebslosigkeit und Selbstisolation folgen suizidale Gedanken.

Debbie weiß, dass sie Hilfe braucht. Sie geht zum Arzt. Das ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Denn Debbie beginnt durch die Therapie ihre Gedanken zu hinterfragen. Sie lernt, dass andere Menschen die gleichen Probleme haben. Sie erfährt mehr über sich selbst, woher ihre negativen Gedanken kommen und wie sie damit umgehen kann. Die Frage, ob Debbie mit ihr wichtigen Menschen genauso umgehen würde, wie mit sich selbst, ist ihr eine große Hilfe. Denn diese kann sie klar mit „nein“ beantworten. Debbie lernt sich selbst liebevoller zu behandeln und sich anderen Menschen gegenüber zu öffnen.

 

Meinung:

„Quiet Girl – Geschichten einer Introvertierten“ war das erste Buch, das von Debbie Tung im Loewe-Verlag ins Deutsche übersetzt wurde. Es handelte sich um eine Schwarz-Weiß-Graphic Novel. Das Buch ist biografisch-chronologisch aufgebaut.
Ich habe dieses Buch damals gelesen und es rutschte sofort unter meine Highlights. Daraufhin habe ich auch das zweite Buch, „Booklove – Eine Liebeserklärung an das Lesen“, gelesen. Wieder ein Volltreffer. Und nun ist „Everything is okay“ auf meinem Lesestapel gelandet. In allen drei Büchern der Autorin habe ich mich in den Gedanken der Protagonistin zu einem großen Teil wiederfinden können. Und ich denke, damit bin ich nicht alleine.

Debbie Tung berichtet in ihrem Buch aus ihrem Leben. Sie berichtet von ihren Schwächen und nerdigen Vorlieben. Sie erzählt, wie sie sich nicht selten als Außenseiterin sieht. Sie ist eben niemand, der gerne im Rampenlicht steht. Sie denkt viel nach. Es fällt ihr schwer, sich anderen Menschen gegenüber zu öffnen. Das liegt zum Teil auch daran, dass sie Angst hat, dass ihre Sorgen und Ängste abgewertet oder/und nicht verstanden werden. Dabei hat Debbie einen wundervollen Freund, der ihr zuhört. Der immer Verständnis zeigt, selbst, wenn er ihr Verhalten mal nicht versteht. Er ist für sie da. In guten und auch in schlechten Zeiten.

Debbie weiß, dass sie - objektiv gesehen - ein gutes Leben hat. Sie hat einen Freund, der alles für sie tun würde und auch tut. Sie hat einen Job. Die Leute in ihrem Umfeld sind nett zu ihr. Und dennoch ist sie oft unglücklich. Diese negativen Gefühle überfordern Debbie. Sie weiß nicht, wie sie mit ihnen umgehen soll.

In "Everything is okay" beschreibt Debbie Tung in kleinen Comicstrips Auszüge aus dem Alltag ihrer Protagonistin. Sie thematisiert dabei nicht nur die Düsternis, sondern auch eine emotionale Entwicklung. Debbie sucht sich Hilfe und lernt mit ihren Gefühlen umzugehen. Doch damit endet das Buch nicht. Wie geht es weiter, nachdem Debbie gelernt hat, ihre Gefühle zuzulassen, sich anderen gegenüber mehr zu öffnen und wichtige Lektionen zu lernen.

Debbie Tung berichtet von einer Protagonistin, der es gelingt, ihren Träumen Beachtung zu schenken und diese auch zu verwirklichen. Sie spricht aber auch von Rückschlägen und einem Leben, das immer wieder Höhen und Tiefen hat. Es gibt nicht den einen "richtigen Weg", der vor einem liegt, sondern viele Möglichkeiten und ständige Hürden. Es wird immer wieder Tage geben, an denen man sich nicht gut fühlt und der Akku leer ist. Aber es gibt auch kleine Highlights im Alltag, die das Leben schön machen. Das Leben ist nicht geradlinig, es steckt voller Überraschungen - sowohl positiver als auch negativer Art. Es gibt auch Tage, an denen die Düsternis einem aus der Ferne winkt. Vielleicht auch Tage, an denen sie unkontrolliert auftaucht. Doch Debbie hat gelernt, damit umzugehen. Sie weiß jetzt, dass sie schwere Tage überstehen kann.

Zuletzt möchte ich noch auf die graphische Umsetzung des Buches eingehen. Die Graphic Novel ist, wie von anderen Büchern der Autorin gewohnt, in Schwarz-Weiß gehalten. Besonders gefallen hat mir hier der kleine visuelle Kniff, bei dem einige farbige Bilder im Buch abgedruckt wurden. Das geschieht immer dann, wenn Debbie schöne Momente erlebt, Fortschritte macht und erfährt, dass ihr Leben lebenswert ist.

 

Fazit:

Bei einer Erkältung oder einer Grippe bekommt man oft von seinem Umfeld liebevolle Worte: Ruh dich aus! Wie geht es dir? Kann ich dir helfen? Bei einer Depression sieht das aber oft anders aus. Hier erntet man nicht selten Sätze wie: Stell dich nicht so an! Das geht vorüber. Du hast doch einfach nur keine Lust. Wer dann auch noch unter die Räder eigener und fremder Leistungsansprüche kommt, reagiert oft mit destruktiven Selbstvorwürfen und Autoaggression.

Debbie Tung zeigt in „Everything is okay“ anhand ihrer Protagonistin wie derlei Gedanken zu einer Abwärtsspirale führen können.
Anhand ihrer Protagonistin zeigt die Autorin, wie es gelingt, diesen Ängsten wieder Herr zu werden.

„Everything is okay“ ist aber nicht nur eine Geschichte, die sich ums Thema Depressionen rankt, sondern zugleich auch ein Ratgeber. Einer, der nicht nur für eine bestimmte Zielgruppe, sondern für jeden von uns geeignet ist. Das Buch vermittelt dabei intime Einblicke in die Seele der Protagonistin. Sie stellt deren depressive Antriebslosigkeit ebenso dar wie Lebensbewältigung, Existenzbestimmung und Lichtblicke. Hierbei zeigt die Autorin ein Talent dafür Gedanken und Gefühle - im Wortsinn - in starken Bildern nachzuzeichnen. So gelingt es ihr, Depressionen erfahrbar zu machen. Eine Krankheit, der Nichtbetroffene zu oft mit Unverständnis begegnen.

Das Buch ist eine liebevolle Odyssee über das Leben. Es ist eine Gute-Nacht-Geschichte, die zeigt, dass der nächste Tag gut sein wird, egal, was da kommen mag. Jeder ist einzigartig. Jedes Leben verläuft anders. Und das ist auch gut so.