Rezension

Man hat das Gefühl, man würde Maja wirklich kennen

Im Traum kannst du nicht lügen - Malin Persson Giolito

Im Traum kannst du nicht lügen
von Malin Persson Giolito

Bewertet mit 5 Sternen

Der Inhalt
Die 18-jährige Maja steht vor Gericht. Angeklagt des Mordes an ihrer besten Freundin, ihrem Freund, ihrem Lehrer und den Klassenkameraden. Wie konnte es dazu kommen, dass die stille, einst beliebt Maja zu einer Mörderin wurde? Was hat sie so sehr verändert? Und ist sie wirklich die Person, die alle im Verhandlungssaal zu kennen glauben?

Der Titel
Nur in einer einzigen Szene spricht Maja über die Bedeutung von Träumen. Sie erklärt sich dabei auch die Beziehung, die sie zu Sebastian hat, und rechtfertigt sich damit bzw. sie versucht es. Der Titel klingt sehr spannend, hat aber für mich keinen wirklichen Bezug zur Handlung und ich hätte mir deshalb etwas Treffenderes gewünscht.

Das Cover
Ich bin mir nicht so ganz sicher, was auf dem Cover zu sehen ist, aber ich glaube, es ist ein Tisch oder vielleicht eine Hauswand, im Hintergrund zwei Fenster. Dabei könnte es sich um das Gerichtsgebäude handeln oder das Frauengefängnis, in dem Maja während der Verhandlung einsitzt. Mir gefällt, dass das Cover so schlicht ist und so weder vom Titel noch später von der Handlung ablenkt. Die leere Fläche könnte den Titel symbolisieren.

Die Protagonisten
Maja wirkt zu Beginn sehr gefühlskalt und unnahbar. Obwohl man aus erster Hand von ihr erfährt, was geschieht, ähnelt es eher einem emotionslosen Bericht als einer Erzählung über die Stunden, die ihr weiteres Leben bestimmen. Sie hat einen sehr trockenen Galgenhumor und wertet mit diesem über die Anwesenden beim Prozess, die sie eingehend analysiert. Dabei merkt man ganz genau, wenn sie leiden kann – ihren Anwalt Sander – und wen nicht – die Staatsanwältin.
Majas Freund Sebastian bewundert seinen Vater, ignoriert dabei aber völlig die Tatsache, dass dieser auf ihn herabsieht und teilweise sogar mit Verachtung behandelt. Maja kann es am Anfang kaum fassen, dass Sebastian sich für sie entschieden hat, denn er sieht gut aus und ist überaus beliebt. Die Beziehung der beiden entwickelt sich mit der Zeit immer mehr zu einer gegenseitigen Abhängigkeit voneinander; Maja kann nicht Nein sagen zu Sebastian, Sebastian hätte viele andere, hübschere Mädchen haben können, wählte aber Maja.

Die Story
Die Handlung des Buches reduziert sich zum Glück nicht auf die Gerichtsverhandlung, durch immer wieder eingeschobene Kapitel über die Zeit vor dem Amoklauf erfährt man viel über Majas Leben, ihre Freunde und auch darüber, warum alles so enden musste.
Das Besondere am Anfang war, dass man erst einmal etwas über Mayas Umfeld und ihr Leben und das der Opfer erfuhr und so Stück für Stück in die Geschichte hineingeführt wurde.
Wegen der Kapitel über die Vergangenheit vergisst man immer mal wieder, wo man sich eigentlich befindet. Doch allgemein wirkt Maja in diesen Szenen sehr nahbarer und sie sind deshalb wirklich sehr hilfreich.
Majas Psyche, ihre Gedanken und Gefühle zu ihrer begangenen Tat sind unheimlich interessant dargestellt. Irgendwie bekam ich während des Lesens Lust auf mehr – die psychischen Aspekte hätten meiner Meinung nach gerne noch viel ausführlicher beleuchtet werden.
Wahnsinnig spannend war es außerdem, die Dingen aus den Augen der Angeklagten zu erleben, wobei die Erzählung aus der Ich-Perspektive natürlich sehr hilfreich war. Trotzdem wurde die Frage, warum Maja eigentlich ihre Freunde getötet hat, erst gegen Ende beantwortet und quält einen umso länger. Ein kluger Schachzug, um die Spannung weiter zu erhalten bzw. immer weiter zu erhöhen. Die Auswahl der Perspektive machte das Ganze außerdem noch viel verwirrender, da Maja ständig in Gedanken umherspringt und in den Sitzungen meist nicht bei der Sache ist. Gegen Ende spricht sie den Leser außerdem mehrmals direkt an. Das war sehr interessant, ihren Vorwürfen konnte ich aber nicht zustimmen.
Besonders Majas Erzählungen aus dem Frauengefängnis und auch einige Szenen mit ihren Freunden waren sehr unterhaltsam und haben dem Geschehen ein bisschen Abwechslung gegeben. Auch Majas Humor mochte ich sehr. Das war sehr viel unterhaltsamer und interessanter zu lesen, als wenn die Protagonistin ein kleines Häschen wäre, das nur Angst vor der Strafe hat und ständig darüber spricht. Man merkt außerdem direkt, von welchen Charakteren Maja genervt ist, denn die Beschreibungen werden an diesen Stellen noch amüsanter, bunter und lebendiger.
Ein Charakter, den ich besonders machte, war Majas Anwalt Sander. Er war einerseits sehr ruhig und besonnen, andererseits hatte er auch seine Eigenarten, wie zum Beispiel sein vehementes Bestehen auf die Einhaltung der Pausen. Durch seine spannenden Ausführungen hat man außerdem viel mehr über den Tathergang erfahren als von Maja selbst. Ich war sehr gefesselt von seinen Berichterstattungen und musste teilweise echt lachen, weil er die Anklage so lächerlich hat dastehen lassen.

Mein Fazit
Besonders schön war, dass ich sehr gut und schnell in die Geschichte rein fand  und eigentlich die ganze Zeit über sehr gefesselt war.
Auch der Stil gefiel mir sehr gut und hat zu dem flüssigen Lesen beigetragen. Die sprunghafte Erzählung war teilweise etwas nervig, weil man in bestimmten Szenen gerne mehr erfahren wollte, hat die Handlung damit aber noch spannender gemacht.
Maja habe ich mich im Laufe des Buches zwar nicht unbedingt näher gefühlt, aber ich konnte sie dennoch irgendwie verstehen. Allgemein ist der Charakter Maja sehr detailliert beschrieben und man könnte am Ende meinen, man würde sie persönlich kennen.
Mir hat das Buch sehr gefallen! Ich denke allerdings, es ist nicht für alle geeignet, sondern vielmehr für Leser, die mit solchen Geschehnissen umgehen können und das nicht zu sehr auf die Realität beziehen.