Rezension

Markus Heitz im Männlichkeitswahn

Totenblick - Markus Heitz

Totenblick
von Markus Heitz

Leipzig wird von einem psychopathischen Serienmörder heimgesucht, der seine Opfer als Nachbildungen berühmter Gemälde arrangiert. Darüberhinaus versteht er es, Angst unter den Polizeibeamten zu säen: Derjenige, den der Blick aus den offenen Augen der Toten als erstes trifft, wird das nächste Opfer. Gemeinsam mit seiner engagierten Kollegin ermittelt Kommissar Peter Rohde, unterstützt von seinem guten Freund Ares Löwenstein, einem Personal Trainer und einstmaligem Mitglied der Motorradgang "Heaven's Demons". Der Zeitdruck steigt unerbittlich, denn der Täter läßt sie wissen, daß er mit seinen Vorhaben noch lange nicht am Ende ist ...

Nach dem starken "Oneiros" wagt sich Markus Heitz einmal mehr an einen Thriller mit übernatürlichen Elementen. Während im Vorgänger jedoch zentrale Elemente im Metaphysischen angesiedelt sind, trifft dies in "Totenblick" jedoch nur auf eine Nebenhandlung zu. Die Hauptgeschichte erweist sich letztlich als zur Gänze rational erklärbar, womit der Aspekt des Übernatürlichen relativiert wird. Somit lebt das Werk in erster Linie von seinen originellen Charakteren: Erzählt wird in bewährter Weise aus auktorialer Perspektive, wobei gleich drei Figuren wechselnd im Zentrum stehen. Neben dem namentlich lange unbekannten Serienmörder und seinem Jäger, dem Ermittler Rohde hat Heitz ganz offensichtlich einen Narren an seinem personifzierten Kriegsgott gefunden.

Ares Löwenstein - bereits der Name trieft vor Testosteron - ist ein knapp zwei Meter großer muskelbepackter Hüne, arbeitet als Personal Trainer und ist ein ehemaliges Mitglied der Motorradgang "Heaven's Demons" (eine interessante Anspielung auf eine real existierende Gruppe). Er ist liiert mit einer attraktiven Mathematik-Dissertantin, und sein Unterleib ist ein so essentieller Teil seines Wesens, daß seine größte Sorge den Abmessungen seines primären Geschlechtsmerkmals gilt, wenn er mitten im Winter nur mit Unterhose bekleidet im Fluß taucht.

Als zumindest originell darf die zweite Hauptfigur, Peter Rohde, gelten: Einen Kommissar, der in seinem Beruf durch ein nur schwer zu therapierendes Aufmerksamkeitsdefizitssyndrom beeinträchtigt wird, ist nicht alltäglich.

Und schließlich werden Leser des Vorgängerbandes "Oneiros" mit einem Gastauftritt des Bestatters Konstantin Korff belohnt. Offensichtlich kann Markus Heitz der Versuchung jedoch nicht widerstehen, diesem doch etwas mehr Freiraum zu gestatten, sodaß der Epilog gänzlich unverständlich verbleibt, wenn man als Leser mit Korffs besonderer Gabe nicht vertraut ist. Mit ihm und auch Ares Löwenstein hat der Autor zwei starke Figuren erschaffen, denen er schließlich erliegt: Während die eine letztendlich die Handlung an sich reißt, schwingt sich die andere zum überzeichneten präpubertären Männlichkeitsideal auf.

Bei all der Freude über die zahlreichen Aspekte, die er in seine Geschichte einfließen lassen kann, scheint sich Markus Heitz im Gewirr der Nebenstränge zu verheddern. Wird zunächst die zentrale Handlung geschickt in mehrere parallel verlaufende aufgespalten, so wartet der Leser in manchen Fällen vergeblich auf eine zufriedenstellende Auflösung. Aus sprachlicher Sicht vermißt man außerdem die Verwendung des Plusquamperfekts, das dem Autor eigentlich zur Verfügung stünde, um Geschehnisse zu schildern, die vor der erzählten Gegenwart spielen.

Wie immer ist es jedoch nicht nur der aus dem Fantasy-Genre bewärte Stil des Autors, der den Leser / Hörer für den Roman einnimmt, sondern auch Simon Jägers Vortrag. Mißtrauen, Begeisterung, Verschlagenheit ... mit Stimmlage und Tempo versteht er es, alle emotionalen Nuancen, die der Text beherbergt, auszuloten. Ganz offensichtlich bereitet ihm der breite Leipziger Dialekt Vergnügen, den er hingebungsvoll zelebriert, wohingegen seine Artikulation französischer Lehnwörter wie "Restaurant" zu unfreiwilligem Schmunzeln führt.

Fazit:
Im Gegensatz zum übersinnlich inspirierten Thriller "Oneiros" wirkt "Totenblick" weitaus stärker geerdet, der Autor hat sich hier gegen die Möglichkeit entschieden, seine Geschichte in Richtung des Metaphysischen zu entwickeln. Obwohl er es zuläßt, daß seine Figuren das Ruder zuweilen an sich reißen, ist es dennoch der fesselnde Erzählstil, der regelmäßig darüber hinwegsehen läßt.