Rezension

Mehr Gesellschaftsstudie als Krimi

In Flammen - Minette Walters

In Flammen
von Minette Walters

Bewertet mit 4 Sternen

Die 93jährige Lavinia Fanshaw und ihre Haushälterin wurden in ihrem Haus in dem kleinen Dorf Sowerbridge brutal ermordet. Sehr schnell fällt der Verdacht auf den arbeitslosen Iren Patrick O'Riordan, dessen Familie schon seit langem im Ort verachtet wird. Lediglich Siobham Lavenham, auch sie Irin, ist nicht überzeugt, dass Patrick der Täter ist.
Was auf den ersten Blick als klassischer Krimi erscheint, erweist sich jedoch vielmehr als eine Gesellschaftsstudie über Engstirnigkeit und Intoleranz, sieht man vom letzten Viertel dieses Buches ab. Walters zeigt minutiös auf, wie sich Vorbehalte und Vorurteile gegenüber einer Minderheit (hier die Iren) bis zur offenbaren Selbstjustiz immer weiter hochschaukeln ohne dass jemand dagegen einschreitet, sieht man von der Protagonistin Siobham ab. Sie, selbst irischer Abstammung, bekommt die Voreingenommenheit mancher ihrer Nachbarinnen und Nachbarn am eigenen Leib zu spüren und wird so auch zur 'Kämpferin' ihrer eigenen Sache, als sie versucht, Zweifel an der Schuld ihres Landsmannes zu wecken. Dass sie dabei selbst ihren eigenen Vorurteilen zum Opfer fällt, ist ein pikantes Detail am Ende.
Der Aufbau des Romans ist etwas kompliziert, insbesondere wenn man ihn als Hörbuch konsumiert, da zwei Handlungsstränge einander kapitelweise abwechseln: zum einen die gegenwärtigen Ereignisse, zum andern die Geschehnisse rund einen Monat zuvor. Dank Sascha Icks' geglückter Lesung gelingt es dennoch gut, sich schnell zurechtzufinden. Trotz nur geringer Akzentuierung der einzelnen Personen bringt sie es fertig, jede und jeden der Handelnden durch einen individuellen Tonfall darzustellen.
Die Lösung des Falles, die ca. ein Viertel des Buches einnimmt, ist überraschend - vielleicht sogar etwas zu sehr. Dennoch: ein gutes Buch in der der Krimi bis auf den letzten Teil eher eine Nebenrolle einnimmt.