Rezension

Mit den Wölfen heulen

Solange du bei uns bist - Jodi Picoult

Solange du bei uns bist
von Jodi Picoult

Der mit den Wölfen lebt... liegt nach einem Unfall im Koma und die Familie bricht alte Wunden auf. Ein interessanter Roman über das Thema Sterbehilfe, Organspende und Zusammenhalt in der Familie. Auch wenn ich andere Romane von Jodi Picoult schon besser fand, ist dieser wieder ein tolles Werk und absolut empfehlenswert.

Die Geschichte bietet mehrere Knackpunkte, denn es geht nicht ausschliesslich um den Vater im Krankenbett, sondern um jedes einzelne Mitglied der Familie. Und jeder hat seine Probleme, Ansichten und Meinungen und jeder verfügt über eigene Erfahrungen und Einzelheiten, die das Puzzle komplett machen und nur im Ganzen verstanden werden können. Edward ging nach einem heftigen Streit mit seinem Vater nach Thailand und kehrt nun zurück, als seine Mutter Georgie (Ex-Frau von Luke, dem Wolfsforscher) ihn anruft und über den Unfall informiert. Georgie glaubt den Inhalt dieses Streites zu kennen und fühlt sich schuldig, muss aber verstellen, dass sie sich jahrelang geirrt hat. Edward hat sich von seinem Vater entfremdet aufgrund der Zeit im Ausland, ist nun allerdings der nächste Verwandte, der darüber bestimmen soll, ob die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt werden oder nicht. Cara, seine Schwester, lebte mit ihrem Vater Luke und den Wölfen und wurde ebenfalls im Unfall verletzt. Auch sie fühlt sich schuldig und ist auf ihren Bruder wütend, weil er damals einfach abgehauen hat und die Familie auseinander gerissen hat. Ausserdem hat sie - obwohl die am nahestehenste Person von Luke - keine Stimme über sein Schicksal im Krankenhaus, weil sie noch nicht volljährig ist. Georgie ist mittlerweilen verheiratet zu einem Anwalt, der nicht nur ein guter Freund von Cara ist, sondern später Edward vor Gericht vertritt. Und so verstricken sich die einzelnen Familienmitglieder immer mehr und komplizierter. 
Die Geschichte wird aus diversen Sichten erzählt und ist deshalb besonders gut gestaltet. Grosse Teile führt Edward durch seine Geschichte, aber auch Cara erzählt viel über ihr Situation und dazwischen sind immer wieder Abschnitte von Luke und sein Leben mit den Wölfen. Einzelne kleinere Kapitel werden aus Georgies Sicht oder von Nebenfiguren erzählt. Ich fand dies nicht nur interessant, sondern wichtig oder sogar ausschlaggebend, um sich ein Urteil über die ganze Situation zu bilden. Denn kennt man bloss eine Sicht, kennt man nicht die ganze Geschichte und schliesslich geht es um eine Entscheidung über Leben und Tod.
Das Thema ist offensichtlich keine leichte Lektüre und stimmt nachdenklich. Wie würde man selbst in solch einer Situation reagieren? Wie würde man entscheiden, würde dies einer unserer Familienmitglieder (hoffe ich natürlich für niemanden!) treffen? Jodi Picoult informierte sich tief über die Rechtslage (in dem amerikanischen Staat, wo die Geschichte spielt) betreffend Organspende und Komapatienten. Auch über Wölfe und ihr Verhalten wird sehr detailreich berichtet und so lernt man als Leser reichlich dazu. Ist eben wie schon andere Romane der Autorin nicht nur Unterhaltung, sondern auch lehrreich. Einer der Gründe, warum sie zu meiner Lieblingsautoren zählt.
Der Schreibstil ist jedoch diesmal etwas zäher. Trotz spannenden Elementen, packendem Thema und wie immer toll ausgearbeiteten Persönlichkeiten, wirken manche Passagen etwas lange. Wer sich für die Wölfe nicht begeistern mag und die medizinischen und juristischen Anteile etwas kompliziert findet, könnte sich an einigen Kapiteln stören oder gar langweilen. Doch ich muss sagen, dass ich mich ursprünglich auch kaum für Wölfe interessierte, mich das Rudel und die Erfahrungen von Luke begeistert in die Wildnis entführten. 
 

4 / 5 Sterne