Rezension

Mit dramatischen Einlagen und sehr gut auf dem Balkon in der Sonne zu lesen

Freiheit für Anfängerinnen - Daniel Oliver Bachmann

Freiheit für Anfängerinnen
von Daniel Oliver Bachmann

Bewertet mit 4 Sternen

Martha ist mit ihren 49 Jahren eine erfolgreiche Frau, die den traditionellen Familien-Weinhandel in Stuttgart führt. Eigentlich könnte sie mit ihrem Leben glücklich sein, wäre sie nicht so einsam. Sie ist zwar verheiratet, doch seit Jahren leben sie und ihr Ehemann nur noch nebeneinander her. An ihrem 50. Geburtstag und ihrem Hochzeitstag soll sich dies alles ändern. Sie hat einen besonderen Abend geplant und einen Tisch in einem noblen Restaurant gebucht. Doch während der Vorspeise und als Martha noch in Gedanken plant, wie sie ihren Mann später noch verführen kann, stirbt dieser mitten im Restaurant an einem Herzinfarkt.

Nun ist Martha wirklich alleine und einsam, doch der Tod ihres Mannes ist nur der Beginn eines kleinen Dramas, das sich nun anbahnt. Noch in der Trauerzeit flattern Rechnungen und Mahnungen ins Haus. Ebenso findet Martha Briefe von Frauen, die scheinbar alle etwas mit ihrem Theo zu tun hatten. Wo ist das ganze Geld geblieben, dass ihre Weinhandlung eingebracht hatte, und was hat es mit diesen Frauen auf sich, die scheinbar auch noch Kinder haben. Hat Theo sie betrogen? Kann sie dies in ihrer Trauer alles ertragen? Und wie wird sie damit fertig?

Martha steht mit ihren 49 Jahren mitten im Leben und genießt es die Chefin der Weinhandlung zu sein, ihren Kunden den passenden Wein für ihre Vorhaben zu empfehlen. Sie ist stolz darauf, dass es bei ihr keinen billigen Fussel gibt und sie eine Stammkundschaft hat, die sich aus Prominenz und Persönlichkeiten Stuttgarts bildet. Sie hatte sich Kinder gewünscht, zusammen mit ihrem Mann Theo eine Familie gründen zu können. Sie wirkt wie eine starke Geschäftsfrau nach außen hin, ist jedoch eine sympathische Protagonistin in der man eine Schwäbin oder auch Stuttgarterin erkennen kann.

Ursel ist eine alte Freundin von Martha, ja eigentlich so etwas wie ihre Beste Freundin. Sie haben sich Jahre lang nicht mehr gesehen. Und nach Theos Tod treffen die beiden wieder aufeinander. Ein gemeinsames Schicksal schweißt sie zusammen, denn Ursel hat ihren Kurt in flagrantie mit einer jungen Praktikantin erwischt. Im Gegensatz zu Martha redet Ursel frei über das was sie denkt und nimmt kein Blatt vor den Mund, auch wenn sie ein klein wenig auf den Leser verrückt wirkt. So hat sie doch das gemeinsame Konto von sich und Kurt leer geräumt, und fährt nun mit Martha zusammen in einem Rolls nach Italien auf Theos Spuren. Auch um die Weinhandlung zu retten. Ursel ist eine praktisch veranlage Frau, die ein wirklich sehr großes Herz hat.

Neben den beiden Frauen tauchen noch weitere Charaktere auf, die teilweise ein wenig skurril wirken, aber auch sehr gut im realen Leben anzutreffen sein könnten, da sie auf ihre Weise authentisch und lebensnah sind. So Marthas Halbbruder Quentin, der schwul ist und einen Weindiscounter betreibt, oder Matto, der auf seine Mitmenschen zurückgeblieben wirkt, aber sehr viel mehr vom Wein und Weinanbau versteht, als sonst jemand.

Das Cover passt wunderbar mit seinen warmen und sommerlichen Farben zu einer Reise nach Italien. Die Zypresse und die Zitronen lassen Urlaubsstimmung aufkommen und einen an Italien, Weine, Gewürze und alles damit verbundene Denken. Durch den cartoonartigen Rolls mit seiner Fahrerin bekommt man einen Hinweis auf den Hauptteil der Handlung, nämlich die Reise nach Italien von Martha und Ursel. Dadurch passt es wunderbar zum Inhalt des Romans.

Daniel Oliver Bachmann hat einen humorvollen und witzigen Schreibstil, der sich angenehm lesen lässt. Der Roman ist eine Mischung aus einer rasanten Road-Stroy mit Humor und einem nicht wirklich typischen Frauenroman. Die Kapitel sind nicht zu lang gehalten, sondern haben eine angenehme Länge. Vor jedem Kapitel gibt es einen Weintipp von Matto Wehrle, der gegen Ende hin der Handlung seinen Auftritt hat. Alle entstehenden Fragen und Handlungsstränge werden am Ende verknüpft und ergeben ein passendes Ganzes. Dazu enthält die Handlung immer wieder dramatische Elemente die einen als Leser immer wieder dazu bringen weiter zu lesen. Zu Beginn wird die Handlung aus Marthas Sichtweise erzählt, doch nach und nach erfährt man auch die Geschehnisse aus den Perspektiven der anderen Charaktere. Ihre einzelnen Geschichten werden geschickt miteinander verwoben.

Der teils trockene Humor dürfte nicht unbedingt etwas für jedermann sein, mir haben die lockeren und leichten Dialoge sehr gute gefallen und auch das ich am Anfang viele Ecken von Stuttgart in der Beschreibung wieder erkannt habe. Die Geschichte entwickelt sich zu einem Ende, dass man als Leser nicht unbedingt erwartet. „Freiheit für Anfängerinnen“ ist ein spanendes Lesevergnügen mit dramatischen Einlagen und sehr gut auf dem Balkon in der Sonne zu lesen.