Rezension

Mitten ins Herz - das Leben in Trümmern

Irrtum 5,8 - Sara More

Irrtum 5,8
von Sara More

Bewertet mit 5 Sternen

~~L’Aquila war am 6. April das Epizentrum eines Erdbebens, das fast in ganz Italien spürbar war. Die grausame Zerstörungskraft hinterließ kein Stein auf dem anderen und mehr als 300 Menschen starben durch diese Naturgewalt, während die Überlebenden Angehörige und alles, was ihnen lieb und teuer war, verloren. Dieses Unglück ist Fakt und wird von der Autorin Sara More mit einer fiktiven Geschichte um zwei Frauen ergänzt, deren Schicksal durch wahre Begebenheiten und Fakten gespickt erzählt wird. Zum einen ist da Viola, die mit ihrem Mann und den Kindern in dem Dorf Onna ein bescheidenes Leben führt. Tagelang wird die Gegend schon von Vorbeben erschüttert, so dass die Menschen aus Angst sogar in ihren Autos nächtigen. Als das Erdbeben ausbricht, schlägt das Schicksal besonders erbarmungslos zu und trifft Viola besonders hart. Zum anderen ist da die junge deutsche Journalistin Karina, die in Rom als Reporterin arbeiten möchte, doch ihre hochfliegenden Pläne lassen sich nicht so schnell verwirklichen. Als es sie in die Gegend von L’Aquila verschlägt, lernt sie dort Viola kennen, beider Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Viola das Liebste ihres Lebens verloren hat, trifft Karina auf Schmerz, Tod, Verwüstung, Angst, Hoffnungslosigkeit und unbändigen Überlebenswillen. Sie versucht, die Menschen zu unterstützen und überall dort zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird.
Sara Mores Debütroman „Irrtum 5,8: Trümmer von L’Aquila“ besticht als Fakt-Fiktion Roman durch besondere Authentizität. Der Schreibstil ist schön flüssig und gut zu lesen. Die Autorin versteht es, sehr real, manchmal nüchtern, dann wieder sehr sensibel und im nächsten Moment beinahe grausam die Geschichte des Erdbebens und seiner Folgen zu vermitteln. Mögen auch die einzelnen Charaktere erfunden sein, doch das Ausmaß der Katastrophe, die grausame Zerstörung, die vielen Toten und Verletzten sowie die Fakten über Korruption, Gewinnstreben, Misswirtschaft und der politischen Verharmlosung von Tatsachen, die Verantwortungslosigkeit und die grausame Rücksichtslosigkeit den Menschen gegenüber sind Tatsachen, die belegt sind. Dafür gebührt der akribischen Recherche der Autorin ein besonderes Lob. Durch ihre Art der Darstellung der Ereignisse in L’Aquila wirft sie viele Fragen auf, zweifelt getroffene Entscheidungen offen an und zeigt mit unsichtbarem Finger auf diejenigen, die sich an dem Unglück bereichert haben und die Lügner und diejenigen, die die Vorzeichen verharmlosten, indirekt anzuklagen. Sie berichtet aber auch über den Zusammenhalt der Menschen in tiefster Not, wo Menschlichkeit, Glaube und Hoffnung so viel bedeuten können.
Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Giustino Parisse, der in Onna nahe L’Aquila lebt und dessen Leben durch das Erdbeben und den Tod seiner Kinder stark betroffen war. Auch das Schlusswort bleibt Parisse mit einem Brief an seine Kinder. Dazu gibt es ein Rechercheverzeichnis und eine Auflistung der Namen aller Toten, damit sie nie vergessen werden.
Ein sehr berührender Roman, der den Leer sprachlos und sehr nachdenklich zurück lässt, ein Buch, das man nicht so schnell vergisst. Sara More ist ein außergewöhnliches Werk gelungen, dafür gebührt ihr Hochachtung. Chapeau!!!