Rezension

Nicht nur ein Buch für die Leisen

Still - Susan Cain

Still
von Susan Cain

Bewertet mit 4 Sternen

"Wir sind keine Ameisen."

Fünf Jahre widmete Susan Cain dem Unterfangen, die Kraft der Interversion zu erforschen. Das Resultat der Recherche- und Schreibarbeit der New Yorker Anwältin kann sich sehen lassen. Sie selbst bezeichnet sich als introvertierte Person. Inwiefern dies mit ihrem Beruf vereinbar ist und somit keinen Widerspruch darstellt, wird unter anderem in diesem Buch deutlich, stellt aber lediglich den Ausgangspunkt dar - nebst der Beobachtung, wie exzessiv das Ideal der selbstbewussten Selbstdarstellung seit den vergangenen Jahrzehnten angestrebt wird, während die ruhigere Hälfte der Menschheit quasi auf der Strecke bleibt. Hierbei bezieht sich die Autorin auf die USA, kann aber auch in abgeschwächter Form auf Europa übertragen werden, wie ich finde.

Das Sachbuch verwebt wissenschaftliche Forschungsergebnisse, wie beispielsweise aus der Hirnforschung, und Studien mit historischen (Van Gogh, Einstein uvm.) und zeitgenössischen [Lebens-]Berichte von Introvertierten. Demnach ordne ich es den populärwissenschaftlichen Literatur zu, zumal der Schreibstil eher journalistisch gehalten ist.

Das Buch ist in drei Teilen aufgeteilt und befasst sich grob zusammengefasst mit folgenden Inhalten:

Teil I: Das Ideal der Extraversion

Hier berichtet Cain vom Wandel der früheren Charakter- zur heutigen Persönlichkeitskultur und der Entstehung des neuen Gruppendenkens. Außerdem thematisiert sie die Kraft des Alleinarbeitens und inwiefern die Kreativität damit zusammenhängt beziehungsweise wie diese heute ausgebremst wird.

Teil II: Unsere Biologie, unser Selbst

Hier wird unter anderem der Frage auf den Grund gegangen, inwiefern das eigene Temperament vom Nervensystem, genetischen Anlagen und der Sozialisation geformt wird und wie es um die Rolle des freien Willens gestellt ist.

Teil III: Formen der Liebe und Arbeit für Introvertierte

Der letzte und kürzeste Abschnitt befasst sich unter anderem damit, wie ruhige Kinder in einer Welt, in der sie nicht gehört werden, gestärkt und wie Kommunikationslücken zwischen beiden Persönlichkeitstypen gefüllt werden können. Ein paar praxisbezogene Tipps sind hier ebenfalls vorzufinden.

Des Weiteren räumt Cain ein, dass es viele Definitionen für Intro- und Extrovertiertheit gibt und geht näher auf diese ein, betont beispielsweise jedoch, dass Schüchternheit für beide Persönlichkeitstypen gelten kann, zumal viele Abstufungen und diverse Mischungen existieren, auf die eingegangen wird.

Das Buch verteufelt übrigens in keinster Weise extrovertierte Menschen, was ich kurz hervorheben möchte, sondern bricht eher eine Lanze für die eher ruhigeren, „stillen“ Menschen und zeigt auf, dass Introvertiertheit kein Nachteil ist und viele Vorteile haben kann. Das Gewicht der positiven Hervorhebung der Introvertierten ergibt sich aus dem Schwerpunkt des Buches.

An und für sich fand ich das Buch sehr informativ, die vielen Beispiele veranschaulichen das Thema gut. Besonderes Gefallen bereiteten mir die wissenschaftliche Seite. Für mich stellte das Buch einen guten Einblick in die Welt der „Stillen“. Wer sich mit diesem Thema bereits näher befasste, wird aber wohl eher wenig Neues erfahren. Der Schreibstil ist „flott“ gehalten und traf nicht immer meinen Geschmack. Manchmal ermüdeten mir ein paar Wiederholungen das Weiterlesen, aber das mag jeder anders empfinden. Ob es der Übersetzung verschuldet ist, dass manche Sachverhalte etwas umständlich ausgedrückt sind, kann ich nicht überprüfen.

Empfehlenswert für Leser, die ein Plädoyer für die Bedeutung der Introvertierten in unserer Welt, der Kraft aus der Stille lesen und mehr dazu erfahren möchten.