Rezension

Nicht schön, aber ehrlich?!

Die Vegetarierin -

Die Vegetarierin
von Han Kang

Bewertet mit 4 Sternen

Eine Geschichte, die den Leser auf surreale und groteske Weise in ihren Bann zieht.

Gestaltung: Das Cover ist sehr kreativ gestaltet worden. Die Lilie bedeutet u.a. Reinheit, Liebe, Fruchtbarkeit und Weiblichkeit. So wird es hier schon kontrovers, wenn man bei genauerem Hinsehen, ein Stück Fleisch, ein Auge, eine Fliege oder einige Finger sieht. Dieses Cover drückt so viel aus und es gibt viel Raum für Interpretationen. Es passt sehr gut zum Inhalt, wie ich finde. 

Inhalt und Schreibstil: Wie man sich eigentlich schon beim Lesen des Klappentextes denken kann, handelt das Buch nicht vom Vegetarismus der Protagonistin Yong-Hyes per se. Es geht um eine Frau, die auf ihre Art versucht, auszubrechen und den Vegetarismus bzw. Veganismus als erstes Werkzeug nutzt, um sich geltenden Konventionen entgegenzustellen. 

Die Geschichte wurde aus verschiedenen Perspektiven geschrieben. Interessanterweise wird ausschließlich über die Protagonistin geschrieben, sie selbst ist stimmlos, was den Stil des Romans sehr unterstützt. Yong-Hyes Ehemann eröffnet die Geschichte mit solch einem abstoßenden Einstieg, der seinesgleichen sucht. Ganz schlimm, aber es ist provokant. Großartig geschrieben. 

Der Schreibstil gefiel mir generell sehr gut: Er war eindringlich, deutlich und fesselnd.

Dass dieses Buch als gesellschaftskritisch eingeordnet wurde, kann ich nachvollziehen. Es wird auf surreale Weise dargestellt, wie eine psychisch erkranke Frau von Familienangehörigen behandelt wird. Sie wird nicht ernst genommen, unterdrückt und mittels Gewalt wird versucht, sie „umzuerziehen“. Doch all ihre Erfahrungen mit diesen Umgangsformen, treiben sie immer tiefer in ihre Psychose. Die Autorin hält sich nicht damit auf, Diagnosen zu stellen, aber sie lässt Schlüsselmomente aus der Vergangenheit einfließen, die eine psychische Erkrankung erklären könnten.

Negative Kritik: Überhaupt nicht gefallen hat mir der Part mit ihrem Schwager, dem Videokünstler. Er gibt vor, sie zu verstehen und zu unterstützen, ist zeitgleich aber besessen, seltsam und wird von abstrusen Gedanken gelenkt. Aber wie oben beschrieben, zieht auch er sie tiefer in ihre Psychose. Ich kann nachvollziehen, warum das Thema Sexualität mit einer psychisch Kranken aufgegriffen wurde und dass es in diesem Fall polarisierend wirken soll, aber mir war es deutlich zu lang. Es wurde sehr störend und nervig!

Fazit: Dennoch werde ich nochmal etwas von Han Kang lesen. Ich finde, dass die Autorin weiß, was sie durch ihre Erzählweise auslösen und bewirken kann. Ich habe mich aufgrund dieses Talents für vier Sterne entschieden (...an der Geschichte lag es nämlich nicht!).