Rezension

Ohne feministische Attitüde wird hier bescheiden ein Stück selbständiger Frauengeschichte geschrieben, ein Beispiel, wie mit knappen Mitteln und mit benachteiligten Lebensvoraussetzungen ein Leben doch glücken und gelingen kann

Hoffnungsland - Kristín Steinsdóttir

Hoffnungsland
von Kristín Steinsdóttir

Bewertet mit 5 Sternen

Kristin Steinsdottir, Hoffnungsland, C.H. Beck 2017, ISBN 978-3-406-70721-6

 

Es ist für mich eines der unbegreiflichsten und erstaunlichsten Phänomene an Island, wie ein doch kleines Land mit einer Einwohnerzahl von gerade einmal 320 000 Menschen immer wieder und das seit langer Zeit Schriftsteller hervorbringt von außerordentlicher Qualität und Reife. Kristin Steinsdottir, eine 1946 geborene Grund- und Gymnasiallehrerin, die seit 1988  auch als Kinderbuchautorin arbeitet (das erinnert ein wenig an die deutsche Schriftstellerin Gudrun Pausewang), hat nun mit „Hoffnungsland“ nach „Eigene Wege“ (2009) und „Im Schatten des Vogels“ (2009) einen neuen Roman vorgelegt.

 

Ähnlich wie in den früheren Romanen geht es in kleinen, kurzen Kapiteln um die Geschichte einer Frau aus Island. Erzählt wird von den beiden jungen Mädchen Guthfinna und Stefania. Beide stammen vom Land und träumen von einer Anstellung in einem feinen Haus in Reykjavik. 1871 kommen sie in die Hauptstadt und müssen sich als Tagelöhnerinnen durchschlagen, als Wachfrauen und Kohleträgerinnen. Ein  hartes Leben, das Stefanie sehr bald tödlich erkranken lässt.  Doch Guthfinna gibt nicht auf und ergreift am Ende ihre Lebenschance mutig und beherzt.

 

Basierend auf einer wahren Geschichte hat Kristin Steinsdottir einen historischen Roman verfasst, der einen atmosphärisch dichten Einblick gewährt in die Lebenswelt und die Gesellschaftsstruktur Islands im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Noch weit entfernt vom späteren Weg von einer Nation von Bauern und Fischern zu einer hochentwickelten modernen Gesellschaft, wie es in „Eigene Wege“ beschrieben wurde, ist das Leben der Menschen hier noch geprägt von patriarchalischen Strukturen in der Gesellschaft. Am Beispiel ihrer Protagonistin gibt sie mit einer wunderbaren poetischen Erzählweise einen Eindruck von den Hoffnungen auf ein besseres Leben.

 

Es ist ein schönes Buch; so bescheiden wie eindrucksvoll seine Protagonistin daherkommt, so ist die Sprache und der Stil von Kristin Steinsdottir. Ohne feministische Attitüde wird hier bescheiden ein Stück selbständiger Frauengeschichte geschrieben, ein Beispiel, wie mit knappen Mitteln  und mit benachteiligten Lebensvoraussetzungen ein Leben doch glücken und gelingen kann. In einer Zeit, in der nichts gut genug sein kann, und in der jeder klagt darüber, was in seinem Leben fehlt, eine Wohltat, findet ein von dem Buch sehr beeindruckter Rezensent.