Rezension

Pädagogik auf Brettern

Elsas Glück -

Elsas Glück
von Beate Maly

Bewertet mit 4 Sternen

Gelungene Fortsetzung der Sonnsteinreihe, die mich mit den gut recherchierten Anfängen der Pädagogik in den 20ern positiv überraschen konnte.

"Ich glaube, dass der alpine Sport vielen Menschen zugänglich gemacht werden sollte. (…) Jeder kann ihn ausführen. Wenn du auf einem Berg bist, ist es völlig egal ob du Tischler, Dachdecker, Universitätsprofessor oder Künstler bist. Es zählt nur noch eines: das pure Naturerlebnis und der Zusammenhalt der Gruppe. Wäre es nicht schön, wenn alle Kinder diese Erfahrung machen könnten?" - Elsas Glück, Seite 129

Der Inhalt in eigenen Worten:

Beate Maly hat mit „Elsas Glück“ den zweiten Band der Sonnsteinreihe veröffentlicht. Die Leser*innen begegnen Lotte, Jakob und ihrer Familie im Wien der 20er Jahre wieder. Mittlerweile haben die beiden zwei erwachsene Kinder, Elsa und Conrad, die beginnen, ihren eigenen Weg zu gehen und ihren eigenen Träumen zu folgen. Während Conrad von einem Leben als Skilehrer und Bergsteiger träumt, studiert Elsa Pädagogik. Im sozialdemokratisch-sozialistisch regierten Wien entwickeln sich die Geisteswissenschaften der Psychologie und Pädagogik rasant. Neue Erziehungskonzepte werden entwickelt und ein Fürsorgesystem eingeführt, das sich Kindern in Not annimmt. Sie kommt dabei mit Kommiliton*innen zusammen, die aus ärmlichen Verhältnissen stammen und durch die Möglichkeit des Studiums bessere Zukunftschancen als ihre Eltern erhalten. Auch bekommt sie Einblicke in das Kinder- und Jugendhilfesystem. Neben ihrem Engagement für den kleinen Werner, der in Obhut genommen wurde und in einem Heim lebt, treten zwei Männer in Elsas Leben, die ihre Gefühle durcheinanderbringen. Bei einem Besuch ihrer Tante am Attersee, der ihr eigentlich ein paar Tage Entspannung verschaffen sollte, stößt sie dann auch noch auf ein Familiengeheimnis, das die bereits angespannte Stimmung in ihrer Familie weiter strapazieren wird.

 

Mein Leseerlebnis:

Beate Maly gelingt es abermals mühelos, mich in die Geschichte hineinzuziehen und für die Protagonist*innen zu begeistern. Es gibt sehr viele Handlungsstränge, sodass unterschiedliche Spannungsbögen entstehen und es nie langweilig wird. Dadurch, dass mir Lotte und Jakob im ersten Band sehr ans Herz gewachsen sind, sind ihre Beziehungsprobleme und Sorgen genau so relevant, wie Elsas Anliegen, die in diesem Band im Fokus stehen. Elsa ist eine starke, mitunter auch starrköpfige, junge Frau, die eigenständig denkt und manchmal zu anderen Einschätzungen kommt, wie die Menschen ihrer Umgebung. Mit ihrer Kritik am Fürsorgesystem wirkt sie teilweise wie eine Pädagogin des 21. Jahrhunderts. Auch wenn ihr dies Sympathiepunkte einbringt, fällt sie damit für mich ein bisschen aus der Zeit heraus…

Für den gut recherchierten Einblick in das entstehende Fürsorgesystem der 20er Jahre in Österreich hat Beate Maly meiner Meinung nach einen Preis verdient. Die Idee, dass Kinder Hilfe benötigen, wenn sich die Eltern nicht kümmern können und dass sie unterschiedliche Bedarfe haben, war damals noch neu. Auch wenn noch viele Fehler gemacht wurden, Kinder gedemütigt und falsch verstanden wurden, war es grundsätzlich der Beginn der modernen Jugendhilfe, die kurz darauf, durch den zweiten Weltkrieg, einen großen Rückschritt machte. Ich bin selbst Sozialpädagogin und überzeugt von den Konzepten der Natur- und Erlebnispädagogik, bei denen Kinder durch gemeinsame sportliche Aktivitäten wieder Selbstbewusstsein, Vertrauen in sich und andere sowie Motivation erlangen. An Elsas Skikurs im Kinderheim hatte ich daher sehr viel Freude.

Begeistert bin ich abermals von den historischen Schilderungen des Lebens in Wien und Umgebung. Die neuen Taxen, die Heime für Kinder und Obdachlose, das Palais der Sonnsteins und die kleinen Arbeiterwohnungen der Freund*innen, die Wiener Caféhäuser und der Wirt am Attersee bilden eine lebendige Kulisse vor meinem inneren Auge. Auch die Beschreibungen der leckeren österreichischen Speisen und der Dialekt, der einigen Personen in den Mund gelegt wird, haben in mir mal wieder Berg- und Fernweh ausgelöst.

Fazit: ⛷ ⛷ ⛷ ⛷ 

ELSAS GLÜCK ist eine gelungene Fortsetzung der Sonnstein-Reihe, die mich mit dem sehr gut dargestellten Themenbereich der Pädagogik und Psychologie in den 20er Jahren positiv überrascht hat. Ich hatte mir im Vorfeld mehr Szenen in den Bergen beim Skifahren oder Wandern erhofft und mir daher zwischendurch gewünscht, Conrad am Arlberg begleiten zu dürfen. Da mir die Bergwelt etwas fehlt und Elsa mir an ein paar Stellen zu modern war, gebe ich gerne und gute ⛷ ⛷ ⛷ ⛷ von 5 Sternen und freue mich wieder sehr auf die Fortsetzung.