Rezension

Perfekt konzipiert, spannend, psychologisch tiefgehend

Die gute Tochter - Karin Slaughter

Die gute Tochter
von Karin Slaughter

Charlotte und Samantha müssen als Teenager miterleben, wie zwei maskierte Männer in ihr Haus eindringen und ihre Mutter brutal ermorden. Aber auch Sam und Charlie kommen nicht ungeschoren davon. Ziel der Attacke wäre eigentlich ihr Vater gewesen, der als Anwalt vor allem die ganz Bösen verteidigt und so manchen Hass der Opferfamilien hervorruft. Auch die Täter gehören zu dieser Kategorie. An den Folgen dieser schrecklichen Tragödie leiden die Beiden noch heute. Ein Amoklauf in der ehemaligen Schule der beiden Schwestern lässt die Erinnerung wieder aufleben und Charlie und Sam, die ebenfalls Anwälte sind treffen sich nach vielen Jahren das erste Mal wieder.

Karin Slaughter kenne ich schon von ihren Romanen um die Ermittlerin Sara Linton. Ihre typische Art zu schreiben, spannend, fesselnd, teilweise blutrünstig und nicht immer leicht zu verdauen, gefällt mir gut. Dieses Buch weicht von dem Gewohnten ab. Zwar sorgt die lebendige Sprache auch hier wieder dafür, dass man einen gewohnt spannenden Pageturner vor sich liegen hat, den man nur ungern aus der Hand legt. (Bei über 600 Seiten eine kräfteraubende Angelegenheit.) Aber dann lernt man eine ganz neue Seite der Autorin kennen. Eine Seite, die mir sehr gut gefällt. Der umfangreiche Roman geht für mich mehr in die Richtung Psychothriller. Tief darf man in die Seelen der Protagonisten blicken, unzähliche alte Wunden werden aufgerissen und der Leser steht kurz vor einem schwarzen Abgrund. Zahlreiche Rückblenden in die Vergangenheit lassen das ganze Ausmaß der furchtbaren Tragödie der beiden Schwestern so nach und nach an die Oberfläche treten. Auch der Amoklauf in der Schule, bei dem die Täterin scheinbar bekannt ist, stellt viele Fragen auf, die sich erstmal nicht erklären lassen. Wie bei einem riesigen Puzzle, muss der Leser Stückchen für Stückcken an den richtigen Platz legen, kommt so der Auflösung immer ein wenig näher, bis er dann im Finale die erschreckende und gleichzeitig erlösende Wahrheit erfährt. Die unterschiedlichen Sichtweisen der beiden Schwestern lassen das Geschehen ganz unterschiedlich erscheinen. Man meint es sind Wiederholungen, aber so ist es eben nicht. Die psychologische Wirkung ist enorm. Erst so kann man verstehen, wie ein grausames Erlebnis den Menschen verändern und prägen kann und wie unterschiedlich jeder damit umgeht. Spannend finde ich auch den Einblick in das amerikanische Gerichts- und Polizeisystem, der mich immer wieder schockiert zurücklässt.