Rezension

Regen

Regen -

Regen
von Ferdinand von Schirach

Bewertet mit 5 Sternen

Das neueste Werk von von Schirach ist mit 50 Seiten sehr kurz, aber äußerst intensiv. Was ihm in seinen kurzen Erzählungen bisher schon außergewöhnlich gut gelang, ist für mich in „Regen“ auf die Spitze getrieben. Jeder Satz sitzt perfekt. Es ist großartig, wie von Schirach es schafft, mit kurzen, präzisen Sätzen so viel Emotion zu erzeugen.

„Regen“ ist als Monolog verfasst, der den Leser direkt anspricht. Trotz der vielen Gedankensprünge ergibt sich eine mitreißende Erzählung, die immer wieder überraschende Wendungen bereithält. Den Rahmen, aber nicht den wesentlichen Inhalt, bildet ein Tötungsdelikt, zu dem der Erzähler als Schöffe urteilen soll. Er sitzt durchnässt vom Regen in einem Café und schildert den Fall, versucht zu erklären, warum er sich nicht im Stande fühlt, darüber zu urteilen. Seine Gedanken schweifen ab und von einem Thema gelangt er zum nächsten – es geht um das Schreiben, um Architektur, um Naturphänomene und wissenschaftliche Erkenntnisse, um Zwischenmenschliches. Eigentlich geht es um das Leben an sich. Es macht einfach Freude, diesem ungezwungenen und gehaltvollen Gedankenstrang zu folgen, den der Erzähler entwickelt.

Angeschlossen an die Erzählung ist ein ebenfalls fast fünfzigseitiges Interview mit von Schirach, in dem deutlich wird, wie viele autobiografische Elemente seine veröffentlichten Erzählungen enthalten und wie sich sein eigener Charakter in seinen Werken widerspiegelt.

„Regen“ ist absolut zu empfehlen. Der Preis von 20 Euro für einen so schmalen Band erscheint zunächst hoch, es ist aber sinnvoll investiertes Geld.