Rezension

[ Rezension ] Amy Harmon: Unendlich wir

Unendlich wir - Amy Harmon

Unendlich wir
von Amy Harmon

Bewertet mit 3 Sternen

ERSTER SATZ
Der Fernseher war eingeschaltet, plärrte in voller Lautstärke.

INHALT
Bonnie Rae Shelby ist jung, erfolgreich und reich. Nachdem sie eine Castingshow gewonnen hatte, führt sie das Leben eines Popstars. Man könnte meinen, dass Bonnie absolut glücklich mit ihrem Leben ist, doch nachdem ihre Zwillingsschwester Minnie am Krebs gestorben ist, fühlt Bonnie sich nicht mehr als ein Ganzes. Dazu kommt, dass ihre Großmutter, die gleichzeitig ihre Managerin ist, Bonnie den Tod ihrer Schwester verschwieg, um die Tour durch ganz Amerika nicht zu beeinträchtigen. Vor lauter Verzweiflung weiß Bonnie keinen anderen Ausweg mehr, als sich nach dem Abschlusskonzert davonzuschleichen und sich auf einer Brücke in den Tod zu stürzen. Doch als sie dort oben steht, wird sie entdeckt und zwar von Finn Clyde, einem jungen Mann, der erst vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen wurde und auf dem Weg nach Las Vegas ist, um dort ein neues Leben zu beginnen. Kurz bevor Bonnie sich tatsächlich von der Brücke stürzen kann, zieht Finn das junge Mädchen auf sicheren Boden. Und bevor er sich versieht, hat sich Bonnie auf Finns Roadtrip selbst eingeladen. Schnell stellen die beiden fest, dass sie mehr Gemeinsamkeiten haben, als es auf den ersten Blick den Anschein macht. Doch aus einem harmlosen Roadtrip wird schnell eine rasante Flucht, wenn Bonnies Grußmutter hetzt den beiden die Presse auf den Hals und behauptet, Bonnie sei von Finn entführt worden. Daher fliehen die beiden durch das ganze Land... ganz wie ihre Namensvetter Bonnie und Clyde vor ihnen.

MEINE MEINUNG
Unendlich wir war mein erstes Buch von Amy Harmon, daher hatte ich absolut keine Ahnung, was mich da erwartet. Zwar kenne ich Meinungen und Rezensionen zu ihrem ersten Buch Vor uns das Leben, die meisten davon sind ja durchaus positiv. Daher hatte ich auf ein gefühlvolles, emotionales und bewegendes Buch gehofft, dessen Charaktere mich absolut in den Bann ziehen. Diese Erwartungen wurden nur partiell erfüllt.

Der Einstieg in das Buch war dabei sehr gelungen. Die Geschichte startet ohne große Vorreden und der Leser wird direkt ins Geschene gestürzt. Sämtliche wichtigen Informationen zu den Charakteren werden erst nach und nach aufgezeigt. Die Story beginnt an dem Abend, an dem Bonnie versucht, sich das Leben zu nehmen. Wie durch Zufall entdeckt Finn die junge Frau auf der Brüche und versucht, sie vom Springen abzuhalten. Doch schon nach wenigen Seiten stieß mir die Handlung ein wenig sauer auf. Ich meine, da findet ein Mann eine absolut Unbekannte in iner fremden Stadt, die versucht, sich das Leben zu nehmen und dann packt er sie mal so mir nichts, dir nichts in sein Auto ein, um mir ihr quer durch Amerika zu fahren. Aber zumindest hat das Buch von Anfang an eine Handlung, ohne den Leser lange mit irgendwelchen Erklärungen und Anmerkungen zu langweilen.
 

Schon nach wenigen Seiten fällt einem der Vergleich zu Bonnie und Clyde auf, dem Verbrecherpärchen, das 1934 eine blutige Spur durch Amerika zogen, auf der Flucht vor der Polizei. Nicht nur die Namen der beiden Protagonisten legen diesen Vergleich nahe, auch der Umstand, dass die beiden fliehen, sowohl vor der Polizei als auch vor Bonnies Großmutter. Dabei waren aber die Gemeinsamkeiten der Pärchen aber nicht plump, sondern gut gestreut und kam mir eigentlich zu keinem Zeitpunkt konstruiert vor. Dabei hat sich Amy Harmon wirklich Mühe gegeben, die Geschichte miteinander zu verflechten, etwa indem Bonnie und Finn zweimal an Orten Halt machten, an denen Bonnie und Clyde waren oder an denen noch Dinge ausgestellt wurden, die mit dem Verbrecherpärchen in Verbindung standen.
 

Das Hauptaugenmerk der Geschichte liegt aber nicht auf dem Roadtrip und den besuchten Städten und Orten, sondern vor allem auf der Beziehung, die sich zwischen Bonnie und Finn entwickelt. Die Beiden bilden unstreitig den Mittelpunkt der Geschichte. Amy Harmon hat ihren beiden Charakteren dabei eine schöne Geschichte gegeben, aber auch tiefgreifende Schicksale. Sowohl Bonnie als auch Finn mussten in ihrem jungen Leben schon einiges durchmachen, wobei sich ihre Geschichten zwar in gewissen Punkten ähneln, soch aber doch grundlegend unterscheiden. Dieser Umstand hat mich wirklich überzeugt, da die Autorin ähnliche Schicksale absolut unterschiedlich darstellen konnte. Zwar haben beide Protagonisten ihren Zwilling verloren, doch auf so unterschiedliche Weise und mit so unterschiedlichen Folgen, wie es nur möglich ist. Und obwohl die Charaktere eine Tiefe aufweisen und nicht nur irgendwelche 0815-Typen sind, konnte ich mir Finn einfach nicht vorstellen. Von ihm wollte sich bei mir einfach kein Bild einstellen. Neben Bonnie blieb er auch irgendwie unauffällig. Dabei fand ich, dass gerade Finn der viel interessantere Charakter gewesen wäre. Er hat eine Vorliebe für Zahlen und ein unglaubliches Gedächnis. Außerdem war er meiner Meinung nach viel realistischer dargestellt als seine Freundin, denn er weist ein gewisses Maß an Skepsis und Realitätsnähe auf. Im Gegensatz zu Bonnie macht er sich Gedanken darüber, welche Konsequenzen sein Handeln hat. Bonnie dagegen ist mir die meiste Zeit einfach nur auf den Nerv gegangen. Von Natur aus schon ein wenig naiv, handelt sie einfach ohne darüber nachzudenken, wobei wahrscheinlich auch der Umstand mit reinwirkt, dass sie als reiches Starlet kaum Grenzen aufgezeigt bekommt. Im Buch wird immer wieder dargestellt, dass sie aus ärmlichen Verhältnissen stammt und erst durch den Sieg bei dieser Casting-Show zu Geld kam. Schade war es aber, dass dieser Umstand so gar keine Auswirkungen zu haben scheint. Ihre Handlungen waren manchmal dermaßen doof, dass ich mir wirklich an den Kopf fassen musste. Ich hätte das Weib schon nach einer Stunde wieder aus dem Auto geworfen. Die restlichen Charaktere, wie beispielsweise Finns Vater, Bonnies Großmutter oder ihr Bodyguard, spielen nur am Rande eine Rolle. Dabei wird vor allem Bonnies Großmutter sehr böse und kaltherzig dargestellt, absolut klischeehaft. Da hätte ich mir doch eine wenig mehr Vielschichtigkeit gewünscht.

Positiv zu vermerken ist aber die Vielzahl an Themengebieten, die angesprochen werden. Bonnie schien mir ein sehr gläubiger Mensch zu sein und ich muss immer Respekt vor Autoren haben, die sich an das Thema Religion heranwagen. Dabei spielt das Thema immer nur eine Randrolle, doch schon allein, dass Amy Harmon es immer wieder aufgeworfen hat, hat mir gut gefallen. Auch wird immer wieder aufgezeigt, dass der Sieg einer Casting-Show nicht nur lichte Momente nach sich zieht, sondern auch ein nachteiliges Erlebnis sein kann. Auch das Leben im Rampenlicht, die Verfolgung durch die Presse und das ständige Unter-Beobachtung-Stehen wird gut geschildert.

Die Handlung des Buches erstreckt sich über den Roadtrip, der eigentlich in Las Vegas enden sollte. Diese Reise wird immer wieder durch unvorhergesehen Ereignisse unterbrochen oder Bonnie und Finn müssen ihre Route ändern. Außerdem treffen sie dabei auch immer wieder auf andere Menschen, denen sie helfen. Nach und nach ändert sich die Beziehung zwischen den Protagonisten, sie kommen sich näher, sie erzählen sich mehr aus ihrem Leben und verlieben sich nach und nach ineinander. Doch genau hier liegt der Grund, warum mich das Buch nicht so ganz überzeugen konnte. Die großen Gefühle kamen bei mir nämlich nicht auf. Eine wirklich tolle Liebesgeschichte muss mir ans Herz gehen und idealerweise find ich dann auch noch den Mann ganz schnuckelig. Doch auch wenn die beiden sich bestimmt lieben, bin ich der Ansicht, dass die Magie einfach nicht beim Leser ankommt. Wobei mir wiederum gut gefallen hat, dass es sich nicht um eine Kitsch-Geschichte handelt, bei der das Pärchen immer wieder davon redet, dass doch alles gut wird, wenn die beiden Protagonisten sich eben einfach genug lieben. Vor allem Finn ist da sehr realistisch und sein Gefühlsleben konnte ich auch noch gut nachvollziehen. Aber wie gesagt: der Zauber und das "Romeo-und-Julia-Feeling" hat mir gefehlt.

Wiederum positiv war der Schreibstil. Den Großteil des Buches wird aus der Sicht von Bonnie geschildert. Dadurch hätte man eigentlich einen guten Eindruck von ihrem Gefühlsleben ergattern können, doch das war für mich leider schwer nachvollziehbar. Dann gibt es wieder Passagen, die aus der Sicht eines allwissenden Erzählers dargestellt werden, zumeist wird dabei das Geschehen um Finn verfolgt. Außerdem werden die meisten Kapitel mit einem Fernsehbericht eingeleitet, der entweder erzählt, wo Bonnie und Finn gesehen wurden oder auch Ereignisse erzählt, die Bonnie und Finn nicht mitbekommen haben, sich als zeitgleich abgespielt haben. Der ganze Aufbau und der Stil waren zum Lesen sehr angenehm und hat mir wirklich gut gefallen.

MEINE FAZIT
Der Geschichte von Unendlich wir liegt eine endlich neue Idee zugrunde, deren Umsetzung allerdings mal mehr, mal weniger gut gelungen ist. Amy Harmon hat einen wundervollen Schreibstil und ich hätte noch ewig weiterlesen können. Ihren Charakteren hat sie zwar eine detailreiche und gut durchdachte Hintergrundstory gegeben, diese aber an manchen Stellen nicht konsequent durchgezogen. Zwar hat mich der "Zauber der Liebe" nicht erreicht, aber trotzdem kann man dieses Buch guten Gewissens für einen verregneten Sonntag-Nachmittag weiterempfehlen.