Rezension

Scharfsinnige Analyse des Syrienkonflikts. Toll erzählt. Unbedingt lesen!

Die den Sturm ernten - Michael Lüders

Die den Sturm ernten
von Michael Lüders

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist ein Gespräch mit dem Leser auf einer Augenhöhe. M. Lüders spricht Klartext und nennt die Tatsachen beim Namen. Diese Fähigkeit durchzublicken und der aussagestarke, geradliniger Schreibstil, ohne Effekthascherei und Emotionsgedöns, erinnerten mich an Peter Scholl Latour, z.B. in „Der Fluch der bösen Tat(2015).

Auf rund 160 Seiten, Vorwort plus 8 relativ kurze, aber inhaltsreiche Kapitel, erzählt Michael Luders wie der Konflikt in Syrien entstanden ist, stellt treibende Kräfte, ihre Interessen und ihre Taten, damals wie heute vor, und gibt im letzten Kap. den Ausblick.

Selbst wenn man sich mit der Thematik bereits beschäftigt hat, liefert dieses Buch doch einige neue Fakten, Details und Sichtweisen, und bringt erfüllte Lesestunden, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Die ersteren Kapitel beschreiben die Entstehung der heutigen Situation in Syrien und gehen kurz auf die Geschichte ein, z.B. wann CIA zum ersten Mal in der Region aufgetaucht war, was sie dort wollte und wie der Umgang mit den Einheimischen ausfiel.

Ab Kap. 4 geht es um die Gegenwart und diverse Aspekte des Syrienkonflikts, die Rolle von USA kommt da nicht zu kurz. In der Hinsicht ähnelt dieses Werk den „Schwarzen Flaggen“ von Joby Warrick, Pulitzer Preis 2016.  Ferner auch dem Werk von Daniel Ganser „Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren. Eine Chronik von Kuba bis Syrien.“ (2016). Oder auch „Wer beherrscht die Welt?: Die globalen Verwerfungen der amerikanischen Politik“ (2016) von Noam Chomsky.

Es ist ein Gespräch mit dem Leser auf einer Augenhöhe. M. Lüders spricht Klartext und nennt die Tatsachen beim Namen. Diese Fähigkeit durchzublicken und der aussagestarke, geradliniger Schreibstil, ohne Effekthascherei und Emotionsgedöns, erinnerten mich an Peter Scholl Latour, z.B. in „Der Fluch der bösen Tat(2015).

M. Lüders schildert, wie aggressiv und skrupellos die USA ihre Außenpolitik betreiben, wie unter dem Deckmäntelchen der Verbreitung der demokratischen Werte etliche Länder angegriffen und Zivilisten getötet werden, und wie heuchlerisch, um 180 Grad gedreht und in emotionales Gedöns gewickelt, all die Gräueltaten entweder ganz verschwiegen oder als etwas Notwendiges und auf jeden Fall Gutes der westlichen Öffentlichkeit verkauft werden.

Für diejenigen, die ihre Meinung über die Geschehnisse in Syrien  aus den Öffentlich-Rechtlichen speisen, mag das Buch ein Augenöffner werden. Komfortzone adé. Es ist in etwa so, als wenn man die billige, mit Geschmacksverstärkern versetzte Tiefkühlkost/Fastfood gewohnt ist, bekommt aber plötzlich eine richtig gute Mahlzeit, aus natürlichen Zutaten, von Meisterhand zubereitet. Welten liegen dazwischen. Wie zwischen Halbwahrheiten, ggf. Lügen, die tagein tagaus auf einen herabrieseln, und der adäquaten Schilderung der Tatsachen, samt Erläuterung der Hintergründe, die zwar kein schönes Gesicht hat und u.U. wehtut, aber echt und genau das ist, was man wissen sollte, wenn man die heutige Situation für keine optimale hält. Auf die Schilderungen der Leitmedien geht der Autor auch an einigen Stellen ein und zeigt, was dort getextet wurde und was eigentlich der Kern der Sache war, z.B. wie die Presse die Giftgasangriffe in 2013 auf Ghouta, Syrien, an die Öffentlichkeit getragen hat, wer da gleich als Schuldige genannt wurde, und wer tatsächlich hinter diesen Anschlägen stand, und was diese Interessengruppen damit bezwecken wollten, uvm.

Im Ausblick fragt Lüders: „Wie geht man damit um, wenn das, was zu den größten Errungenschaften unserer Zeit gehört, nämlich Freiheit und Demokratie, in der Geopolitik zu purem Zynismus verkommt? Wie lässt sich angesichts der hier vorgetragenen Faktenlage allen Ernsten behaupten, westliche Politik stehe für „Werte“, im Gegensatz zu etwa russischer oder chinesischer?“ S. 163.

Und liefert abermals Wahres. „Eigentlich wäre es höchste Zeit, innezuhalten und sich neu zu sortieren. Eine Weltordnung zu begründen, die um Ausgleich und Kompromiss unter den jeweiligen Akteuren bemüht ist, einen Dialog auf Augenhöhe führt. Die vom Zenit abgleitende Weltmacht USA sucht genau diesen Ausgleich nicht. Sie ist bestrebt, eigene Interessen auf Kosten anderer durchzusetzen, notfalls mit Gewalt. Und nicht zuletzt mit Hilfe einer auch medial betriebenen Dämonisierung des gegenwärtigen Hauptgegners Russland. Die Machtpolitik Moskaus, Teherans oder Pekings ist im Zweifel jedoch nicht mehr und nicht weniger skrupellos als die des Westens. Sie in den Kategorien von „gut“ und „böse“ zu verorten, wobei „wir“ natürlich zu den Guten rechnen, das grenzt an Volksverdummung.“ S. 167. Die Verdummung wird m.E. seit längerem betrieben. Dieses Buch ist ein sehr gutes Mittel dagegen.

Fazit: 5 besonders hell leuchtende Sterne. Unbedingt lesen!