Rezension

Scharfzüngig, schlüpfrig, skurril - gute Unterhaltung!

Eine Frau bei 1000° - Hallgrímur Helgason

Eine Frau bei 1000°
von Hallgrímur Helgason

Bewertet mit 4 Sternen

Herbjörg, 1929 geboren, todkrank mit einem Laptop und einer Handgranate in einer Garage in Islands Hauptstadt lebend, lässt ihr Leben noch einmal Revue passieren. Während zu Beginn ihre Erinnerungen noch gewöhnungsbedürftig schnell zwischen verschiedenen Jahren und der Gegenwart hin und her springen, liegt der Schwerpunkt nach dem ersten Viertel des Buches auf ihrer Zeit als Jugendliche im II. Weltkrieg. Von ihrer Mutter als Zwölfjährige auf Amrum aus Sicherheitsgründen allein gelassen, schlägt sie sich bis zum Kriegsende alleine durch das kämpfende Europa. Es ist eine grauenvolle Zeit. Und auch danach wird es für Herbjörg kaum leichter.
Obwohl ihr Leben mehr von Entsetzlichkeiten als von schönen Dingen geprägt ist, lässt einen die besondere Sprache Helgasons immer wieder lächeln, aber auch erschreckt innehalten. Er arbeitet viel mit Bildern, die ebenso eingängig wie auch gewöhnungsbedürftig sind. Beispielsweise der Exkurs über die Sprachen der Völker (Deutsch ist ungekünstelt, es wird benutzt wie ein Hammer um Häuser für das Denken zu zimmern. Italienisch macht jeden zu einem Imperator usw.) oder der Vergleich Herbjörgs Krankheit mit dem Vorstoss der deutschen Wehrmacht. Helgason bzw. Herbjörg nimmt kein Blatt vor den Mund und da ihr Leben häufig von brutalem Sex geprägt wurde, fällt auch ihre Sprache öfters entsprechend aus.
Vier Punkte gibt es deshalb, da ich mich mit den zu Beginn vielen Zeitenwechseln schwer tat. Die Kapitel sind meist recht kurz, vielfach sogar nur ein bis zwei Seiten lang - für mich zu wenig um richtig in das Buch 'reinzukommen', was nach dem ersten Viertel jedoch deutlich besser wurde.