Rezension

Schmetterling oder Mensch?

Das Haus der bösen Träume - Frank R. Tallis

Das Haus der bösen Träume
von Frank R. Tallis

Bewertet mit 5 Sternen

Die Story:
Psychiatrische Anstalten passen seit jeher sehr gut in unheimliche und gruselige Geschichten. F. R. Tallis hat sich diese Grundidee zunutze gemacht und in dieses Buch gepackt. Da er Psychologe ist, kennt er sich in vielen Fachgebieten der Psychologie gut aus und verknüpft dies gekonnt mit der Geschichte um James Richardson.
Eingebettet in die authentische Darstellung der 1950er Jahre wird das Buch zu einem schaurig schönen Lesevergnügen. Überdies wird man als Leser fast sofort mit gruseligen Erscheinungen konfrontiert. Dabei sind die Begegnungen mit dem Unheimlichen gering, fast unbedeutend und werden nach und nach eingestreut, damit sich die beklemmende Stimmung langsam im Leser ausbreiten kann.

Charaktere:
Der Hauptcharakter James Richardson wird in der psychiatrischen Anstalt Wyldehope Hall angestellt, um sich neben den üblichen Tagesgeschäften auch um die 6 Schlafpatientinnen zu kümmern, die im Keller der Einrichtung behandelt werden. Ehrfürchtig tritt er seine Stelle an und begegnet seinem Vorgesetzten und Leiter der Anstalt Hugh Maitland mit Respekt. 
Aus den Augen von James erleben wir das Alltagsleben einer Anstalt und auch - so soll es in diesem Buch ja sein - übernatürliche Ereignisse. Sachlich und nüchtern stellt er seine paranormalen Sichtungen fest und analysiert diese ganz trocken, wie ein Psychologe dies eben tun würde. Sein gesamtes Erscheinungsbild ist steif und irgendwie fade, aber nicht im negativen Sinne. Es passt einfach zu ihm und zu der Geschichte. 
Alle Charaktere sind oberflächlich dargestellt, auch bei James geht der Autor nicht wirklich in die Tiefe. Das stört aber überhaupt nicht - im Gegenteil: der außenstehende Betrachter zu sein, erscheint hier einfach viel passender .

Der Schreibstil:
Herr Tallis unterteilt das Buch in James' Erzählungen und in Briefe anderer Psychiater an Dr. Maitland. Die Briefe beschreiben Werdegang und Krankheiten der Schlafpatientinnen, die derzeit in Wyldehope in Behandlung sind. Der tiefere Sinn der Briefe erschließt sich erst zum Schluss.
Der Schreibstil des Autors ist klar und geradlinig und man kann dem Geschehen überaus flüssig folgen. Die 50er Jahre bildet Herr Tallis in den Dialogen und Umgebungsbeschreibungen glaubwürdig ab.
Die Gruselmomente sind nur vereinzelt und unauffällig in die Story eingebaut, ansonsten bietet der Inhalt nicht viele spannende Elemente. Dennoch erschafft der Autor mit seiner mitreißenden Schreibweise einen Sog, der einen dazu zwingt weiterzulesen. Die Anstalt, die Umgebung, die Personen und Handlungen sind so anziehend beschrieben, dass man regelrecht darin versinken mag.

Ende:
Das Ende bietet eine Wendung, mit der ich eigentlich im Laufe des gesamten Buches gerechnet habe. Dennoch kam sie für mich überraschend - so komisch das auch klingen mag. :) Sie passte einfach super hinein und gab den ein oder anderen Aha-Effekt.

Fazit:
Die Geschichte ist klar und flüssig erzählt und schafft mit ihren schaurigen Gruselmomenten und der authentischen Darstellung von Raum und Zeit ein einzigartiges Lesevergnügen.
4 1/2 von 5 Isis