Rezension

Schöner Klassiker

Die Schatzinsel - Robert Louis Stevenson

Die Schatzinsel
von Robert Louis Stevenson

Ein Klassiker, der wohl auf vielen Listen von Bücher "die man gelesen haben muss" steht. Ein guter, alter Piratenroman, der noch nach Meer riecht, nach Seeräubern klingt und mit echten Gold glänzt.

Diese vollständige Ausgabe kommt im neuen Gewand, das mir sehr gefällt. Das Vintage anmutende braune Cover, über das sich ein Netz von Kartenlinien zieht, ein Schiff und die See. Was das Äussere verspricht, wird im Buch auch gehalten: eine lang zurückliegende Geschichte einer Schiffsfahrt mit einer Schatzkartze an Bord. 

Der Schreibstil war zuerst gewöhnungsbedürftig, zum einen wegen der damaligen Sprache, die in den Diskursen rege benutzt wurde, besonders von den Piraten (z.B. S. 155: "Nee, Kamerad, das haste nich. Du bist n' guter Junge, oder ich versteh mich nich drauf"). Zum anderen wegen dem vielseitigen Wortschatz auf Schiffen. Denn ich kenne nicht jede fachliche Bezeichnung über Segel, Wendemanöver, Schiffsladungen und Kapitänsbefehle, auch wenn ich schon von Kajüte, Mastern, Backbord und Steuerbord gehört habe. Ich traf doch einige Wörter, die mir unbekannt waren und blieben. Den Verlauf der Geschichte beeinträchtigt es dennoch kaum, da man aus dem Kontext meist versteht, was geschieht oder es selten eine ausschlaggebende Rolle spielt .

Die Figuren blieben für meinen Geschmack oft zweidimensional. Es gab bloss wenig Beschreibung, wodurch der Leser ein sehr freies Bild der einzelnen Persönlichkeiten zeichnen kann. Ausser der Hauptfigur Jim Hawkins, der die Geschichte erzählt und dem Piraten Long John Silver, begnügte sich der Autor mit äusseren Beschreibungen. Diese dürften jedoch auch bloss klarstellen, ob die Figur ein Ehrenmann oder ein Pirat war, wobei es nicht an Klischees fehlt: Messer zwischen den Zähnen, Ohrringe, schlechte Zähne, Papagei auf der Schulter, Holzbein, lumpige Kleidung, etc. Allerdings muss man bedenken, dass die Originalfassung von 1883 stammt und der Autor sich somit nicht an Klischees bedient, sondern im Gegenteil diese Klischees gründete! 

Der Verlauf der Geschichte war anfangs interessant, dann flaute es jedoch schnell ab und wurde sogar etwas langatmig in der Mitte. Erst in der zweiten Hälfte gewinnt es wieder an Spannung und endet zwar teils voraussehbar, aber auch rasant. Die effektive Schatzsuche macht dabei einen kleineren Teil aus, als ich erwartete, denn tatsächlich handelt die Geschichte hauptsächlich von Jims Abenteuer, wie sie auf der Insel stranden und die Meuterei der Piraten. Allgemein muss ich wohl hohe Erwartungen an den Roman gestellt haben, da es sich um solch einen gelobten Klassiker handelt, doch diese Vorfreude wurde jäh gedämpft. Trotzdem lohnt sich die Geschichte und wer davon nicht genug bekommen kann, der kann sich ja das Hörspiel oder eine Verfilmung davon anhören bzw. ansehen.
 

3 / 5 Sterne