Rezension

Sehr berührend!

Manchmal sucht sich das Leben harte Wege -

Manchmal sucht sich das Leben harte Wege
von Katharina Afflerbach

Bewertet mit 4 Sternen

Schöne Formulierungen

Ich habe mir das Buch von Katharina Afflerbach gekauft,weil ich sie in der Fernsehsendung Frau TV sah und uns eine Gemeinsamkeit eint, auch ich habe einen (mehrere) Schicksalsschlag erlitten und brauchte zwei Jahre, um in ein neues Leben zu starten. Da sind einige Analogien: mein Schicksalsschlag war nicht der Tod, aber dennoch sehr einschneidend, auch ich habe ihn in autobiographischen Ratgebern unter dem Pseudonym Resi Lienz verarbeitet, auch mein Vademekum ist die Natur und die Bewegung.

Der Titel “Manchmal sucht sich das Leben harte Wege” ist ein wenig sperrig, vor allem ist die Metapher nicht wirklich getroffen .Es gibt Asphalt und es gibt unbefestigte Wege, das weiß man als Wanderer und Jogger, es gibt treffsichere Formulierungen. Die Autorin war, obwohl Spiegelbestsellerautorin bei Thalia nicht wirklich bekannt, und auch ihr Buch in eine mehrdeutige Rubrik eingeordnet, aber am Ende konnte ich eines der zwei im Geschäft vorhandenen Exemplare ergattern. Den Preis empfinde ich für 215 Seiten als überteuert, es ist ein Softcover, das noch nicht einmal sehr leserfreundlich ist, da man es auch noch ständig zurechtbiegen muss. Obwohl die Autorin natürlich eine gute Schreibe hat, hätten es 12 Euro für den Inhalt auch getan.

Das Buch handelt von Schicksalsschlägen, dem Umgang damit, Bewältigungsstrategien, Krankheit und Tod, viel Tod. “Es gibt Ereignisse, die uns mit solcher Wucht aus dem Leben schleudern, dass wir meinen, den Verstand zu verlieren. Nichts ist mehr, wie es war” (Einband). Dem kann ich nur zustimmen.

Afflerbach, Jahrgang 1977, beginnt mit ihrer eigenen Geschichte. Erzählt vom Unfalltod ihres Mitdreißiger-Bruders Flo 2016, der von einem 81jährigen Autofahrer überfahren wurde. Sie schlägt den Bogen zu ihrer Kindheit, die ersten Erfahrungen mit dem Tod, Opa Albert muss gehen “Meine Welt war noch in Ordnung und der Tod so abstrakt, wie er nur sein kann” (15) “In meiner Kindheit habe ich eine Zeitspanne geschenkt bekommen, in der der Tod ein Ereignis, aber keine Lebensveränderung war” (17). Den kindlichen Blick auf den Tod verliert sie mit 14, als ihre Katze stirbt. Toll, auch brilliant bildlich formuliert finde ich die Frage “Wann hat das eigentlich aufgehört, dass nur jemand pusten musste und alles war wieder gut?” (70). Wir alle erinnern uns an Schürfwunden an Knie oder Ellbogen und den Satz “Lass mich mal pusten”. Dann geht Oma Mathilda, dieses “unermessliche Fehlen” (26). Im Erwachsenenalter arbeitet Afflerbach für Costa Kreuzfahrten. Die Costa Concordia sinkt. Der Preis. 32 Tote. Afflerbach betreut die Hinterbliebenen, schreibt ihre Geschichten auf und bekommt einen anderen Blick für das Leid, auch das der Mitmenschen. Als ihr Bruder Flo stirbt, zieht sie sich für ein paar Monate auf die Alp zurück. Sie lernt “auf Sparflamme zu leben”. An ihre eigene Geschichte reiht sie die Schicksalsschläge von elf Gesprächspartner,n die von ihren Erfahrungen berichten. Am meisten berührt hat mich die von Alexandra und Frank, die ihre 3.5 jährige Tochter an den bösen Krebs verlieren. Afflerbach verfügt ohne Zweifel an Schreibtalent (“Dieses Jahr...führte sie vom ersten bis zum letzten Moment durch unbekanntes Gebiet”,182), schafft einige sehr schöne, berührende Formulierungen, metaphorisch (“Heute weiß ich, das Begreifen ein Tunwort ist”, 115) und sie hat auch das Talent, was nicht jeder hat, die Geschichten anderer dergestalt aufzuschreiben, dass sie authentisch sind, gut formuliert und berühren. Dennoch finde ich drei Geschichten hätten ggf. gereicht, musste es gleich eine Sammlung von elf sein? Natürlich wäre das Buch dann nicht “voll” geworden, denn die Berichte nehmen 163 Seiten von 215 ein, den größten Teil. Auch wenn die Schicksale immer ein wenig anders verlaufen/starten und jeder seinen eigenen Weg findet, so wiederholt sich doch ständig die Thematik von Tod und Krankheit, die Intensität der parallelen Gefühle, sodass man eigentlich immer nur zwei oder drei Geschichten am Stück lesen kann und dann ist es gut, dann muss es gut sein, die Botschaft ist angekommen (Wir halten viel aus und

können traumatische Erlebnisse in unser Weiterleben integrieren, 202) , lieben was ist, weitermachen und möglichst emphatische Gesprächspartner finden, wird durch eine neue Geschichte nur wiederholt. Gefallen tut mir Afflerbachs Gedanken, dass das Thema “Tod” auch in Schulen thematisiert werden sollte. Auf jeden Fall ein lesenswertes Werk für diejenigen unter uns, die vom Schicksal getroffen wurden und die existentielle Fragen umtreiben.