Rezension

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Sex & Crime im Braunschweiger Land...

Der Mädchenreigen - Susanne Gantert

Der Mädchenreigen
von Susanne Gantert

das verspricht auf jeden Fall der etwas marktschreierisch daherkommende Klappentext:

"JUNGFER IN NÖTEN Braunschweig im Jahre 1580. Elise, die Tochter des reichen Kaufmanns Lorenz Kale soll von einem feuerspeienden Drachen entführt worden sein. Sie ist aber nicht die einzige Jungfer, die wie vom Erdboden verschluckt ist. Der Wolfenbüttler Jurist Konrad von Velten begibt sich im Auftrag des Herzogs auf die Suche. Auf seinem Weg begegnet er dem Mädchen Laura. Sie ist als Junge verkleidet und hat ihre Erinnerung verloren. Gemeinsam decken die beiden mit Lauras rückkehrenden Erinnerung einen teuflischen Plan auf."

Das altbekannte Personal aus dem "Fürstenlied" der Susanne Gantert hat es diesmal mit einem besonders perfiden Verbrechen, dem Kidnapping junger Mädchen, für ein pädophiles Spektakel, eine Art Incentive zur Wahlbeeinflussung zu tun.

Das Oberhaupt des Welfenhauses Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius plant 1580, ganz Herr seiner Zeit, die Flüsse Ocker und Bode miteinander zu verbinden, um einen Anschluss an die Elbe und damit zur Nordsee zu erreichen, als Tor für den zukunftsträchtigen Atlantikhandel.

Diese mittelfristig möglicherweise sehr einträglichen Pläne, verlangen dem prosperierenden Herzogtum einen hohen Einsatz ab und sind schon einmal gescheitert, der Druck das dies erneut passiert, ist groß, da die konkurrierenden wirtschaftlichen Interessen anderer Herzogtümer und vor allem das der freien Hansestadt Braunschweig berührt werden.

Der ehrgeizige Thronfolger Heinrich Julius versucht die Widerstände mit Hilfe des undurchsichtigen, württembergischen Adeligen Martin von Kaltenburg zu überwinden, dessen immer und immer wieder vom Erzähler gebetsmühlenartig beschworene äußere Schönheit in Verbindung mit seinem häßlichen Charakter doch arg stereotyp daherkommt.

Gleichzeitig ist der junge Konrad von Velten zum herzoglichen Sonderermittler ernannt worden, der sich mit wissenschaftlicher Methodik besonders schwerwiegenden Kriminalfällen widmen soll. Sein erster Fall ist der der jungen Elise, Tochter des wohlhabenden Braunschweiger Kaufmanns Lorenz Kale, die angeblich von einem feuerspeienden Drachen entführt worden ist. Schnell stößt er auf weitere vermisste Mädchen und trifft die unter Gedächtnisverlust leidende Laura, deren nach und nach wiederkehrende Erinnerung ihm eine große Hilfe bei der Aufklärung der mysteriösen Vorfälle ist.

Der historische Hintergrund ist sicherlich gewissenhaft recherchiert, wobei gerade die Darstellung der Empörung über die abweichende Sexualität doch zu sehr aus der heutigen moralischen Wertung beschrieben scheint, ohne weiter auf kulturelle und soziale Besonderheiten des 16. Jahrhunderts einzugehen. Der, für den Beginn der Neuzeit typische Konflikt zwischen Verharren im Aberglaube einerseits und dem Aufbruch in eine neue Geisteswelt andererseits, werden in diesem historischem Krimi geografisch in der deutschen Provinz verortet, was mir gefällt, ist mir aber zu plakativ lehrerhaft und punktuell im Plot aufgezeigt. Es wird weniger durch die Figuren getragen als von der Erzählerstimme vermittelt. Auch dass fast das gesamte Personal verwandtschaftlich verbunden ist und irgendwo eine, wenn auch winzige Rolle spielen muss, ist mir zu konstruiert.

Ein wunderschön gestalteter Roman aus dem auch dafür bekannten Gmeiner Verlag, mit zusätzlichen Informationen über die historischen Hintergründe, um die Fiktion von den Tatsachen abzugrenzen, sowie einem Personenregister und einem Glossar. Trotzdem für mich leider ein historischer Kriminalroman mit Schwächen, die mein Lesevergnügen etwas geschmälert haben.