Rezension

Solide, aber da geht noch mehr!

Auf dich war ich nicht vorbereitet - Anna Bell

Auf dich war ich nicht vorbereitet
von Anna Bell

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt
Ein Leben ohne ihr Smartphone, ohne Facebook, Instagram und Twitter - für Social-Media-Managerin Daisy absolut unvorstellbar! Doch nach einem Twitter-Skandal, der sie nicht nur im World Wide Web zum Gespött gemacht, sondern sie auch noch ihren Job gekostet hat, klingt die Vorstellung deutlich verlockender. Ihre Schwester Rosie verpasst ihr einen "Digital Detox", eine digitale Entziehungskur an einem Ort, an dem funktionierendes WLAN und guter Handyempfang Fremdwörter sind. Wider Erwarten findet Daisy Gefallen an einem Leben ohne Internet - was nicht zuletzt an ihrem etwas wortkargen, aber nicht unattraktiven Nachbarn Jack liegt … und am ausgesprochen charmanten Franzosen Alexis.

Meine Meinung

Bei "Auf dich war ich nicht vorbereitet" fällt mir die Einschätzung nicht ganz einfach, da meine Meinung mit wechselndem Blickwinkel doch sehr unterschiedlich ausfällt.
Lege ich den Fokus auf den Plot um die Social-Media-Besessenheit von Protagonistin Daisy, dann bin ich Anna Bells neuestem Werk durchaus positiv gewogen. Die Problematik ist in der heutigen Zeit aktuell und hier auch gut ausgearbeitet. Daisy kann ihr Handy lediglich zum Schlafen aus der Hand legen und lebt ihr Leben durch Hashtags, Emojis und Selfies. Da sind normale Face-to-Face-Interaktionen nicht mehr möglich und die Freizeitgestaltung hat ordentlich an Vielfalt eingebüßt (unterschiedliche Partylocations zählen nicht). Die Notlösung: eine digitale Entgiftungskur als Gegentrend zur Social-Media-Sucht. Das Konzept an sich finde ich tatsächlich ganz sinnvoll - nur der Tatsache, dass man im Real Life dafür jede Menge Geld hinblättern kann, bewerte ich kritisch.
Mit dem Thema Social-Media-Sucht trifft die Autorin bei mir persönlich einen Nerv, weil es mich immer aufregt, wenn mein Gegenüber permanent aufs Handy starrt und sämtliche Kanäle und Messenger checkt. Allerdings habe ich mich unweigerlich zu fragen begonnen, wie häufig ich tagsüber eigentlich mein Handy checke und online bin. Tatsächlich mach ich das auch nicht gerade selten - oder zumindest häufiger, als es mir lieb wäre.
Aber zurück zum Buch: Daisy manövriert sich nicht nur am Anfang in eine missliche Lage, sondern führt auf der Suche nach einer digitalen Kommunikationsmöglichkeit im Verlauf der Handlung ungewollt heikle und/oder peinliche Situationen herbei und tritt öfter mal ins Fettnäpfchen. Meistens haben ihre Aktionen ein Kopfschütteln bei mir ausgelöst, aber gelegentlich musste ich auch schmunzeln. Es hat mir gefallen, wie Daisy sich bis zum Ende hin entwickelt hat und wie sie mit ihrem Skandal vom Anfang der Geschichte letztlich umgegangen ist. Besonders eine Situation kurz vor dem Schluss war grandios. So grandios, dass ich Daisy am liebsten applaudiert hätte. Leider misste der Hauptteil auch einige dramaturgische Highlights.
Die Message kommt sehr deutlich beim Leser/der Leserin an: Social-Media-Konsum ist in Ordnung - denn ganz ehrlich: Sie sind ausgesprochen nützlich und es gibt kaum einen Weg, schneller über Aktivitäten der Freunde oder Promis auf dem Laufenden zu sein -, sofern er sich in einem vernünftigen Rahmen bewegt.
Betrachte ich den Roman als Liebesgeschichte, muss ich jedoch sagen, dass sie deutlich hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben ist. Hauptsächlich ist das dem Umstand geschuldet, dass ich zu den männlichen Love Interests nur minimal einen Bezug hatte. Mir fehlte die Persönlichkeit, ein Herausstellungsmerkmal, irgendetwas, das sie in meinem Gedächtnis verankert hätte. Abgesehen davon, dass beide gut aussehen, einer ein guter, wenn nicht gar glänzender Fang ist und sich einer - oh Wunder! - als Mistkerl entpuppt, kann ich nicht viel über sie sagen. Im Grunde waren sie gegen fast jeden x-beliebigen Roman"helden" austauschbar. Auch Daisy hebt sich leider nicht sonderlich von der breiten Masse ab. Sie wird mir vor allem als liebenswerte Chaotin im Gedächtnis bleiben - wie viele Protagonistinnen aus Anna Bells Romanen. Dieses Problem hätte man ganz leicht durch einige Zusatzinfos hier und da beheben können. Wäre es ihr Debüt gewesen, hätte ich darüber vielleicht hinwegsehen können. Da Anna Bell bereits einige Erfahrung als Autorin hat, kann ich das jedoch nicht so leicht.

Mein Fazit
Fasst man die Punkte zusammen, bleibt ein solides, aber keinesfalls überwältigend gutes schriftstellerisches Werk. Die Gesellschaftskritik wird zwar humorvoll verpackt, ist aber ganz deutlich erkennbar - man bekommt also Unterhaltung und Stoff zum Nachdenken in einem. Dafür hat Anna Bell den Liebesplot wohl ein klein wenig aus den Augen verloren, denn die vermeintlichen Traumtypen sind ziemlich fad geraten.

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