Rezension

Sorgen und Freuden einer alternden Mutter

Eine Frau am Telefon - Carole Fives

Eine Frau am Telefon
von Carole Fives

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein nicht enden-wollender Monolog einer jammernden Mutter möchte sich vermutlich keiner freiwillig antun. Es sei denn, es handelt sich um Charlène, Protagonistin dieses Romans. Die 62-Jährige ruft mehrmals am Tag ihre erwachsene Tochter an und hinterlässt auf dem Anrufbeantworter Nachrichten aus ihrem Leben in aller Ausführlichkeit. Das Repertoire reicht von Vorwürfen darüber, dass Tochter und Sohn sie nur an Weihnachten besuchen, über ihre Erfahrungen als Chinchilla_417 in diversen Partnerbörsen bis hin zu ihren Ängsten vor Krankheiten und dem Tod, besonders als Blutkrebs bei ihr festgestellt wird.

Nicht alles, was sie so von sich gibt, ist wohl ernst zu nehmen, zumal Charlène ziemlich wankelmütig ist. Erst schwärmt sie von paradiesischen Zuständen im Krankenhaus, in der nächsten Minute schimpft sie über die fiesen Leute dort und schließlich badet sie in Selbstmitleid. Nach und nach erfahren wir mehr über das vergangene Leben der Mutter, die mit 30 von ihrem Ehemann verlassen wurde. Lebenslustig wie sie ist, gibt sie die Partnersuche trotz mehrerer Fehlschläge nicht auf. Man fühlt sich durchweg bestens unterhalten, was vor allem an Charlènes rabenschwarzem Humor und bissigem Ton liegt. Ich wette, jeder Leser wird sich an der einen oder anderen Stelle an Telefonate mit der eigenen Mutter erinnern und vor sich hin schmunzeln.