Rezension

Spannend, aber nicht fesselnd genug

Die zehntausend Türen -

Die zehntausend Türen
von Alix E. Harrow

Bewertet mit 3 Sternen

„[…] ich glaube nämlich daran, dass jede Geschichte eine Liebesgeschichte ist, wenn man sie auf genau die richtige Weise im Licht der Abenddämmerung anschaut[…].“ (S. 55)

January lebt zu Beginn des 20. Jahrhundert in Haus Locke in Vermont. Als Mündel des reichen Mr. Locke ist sie vor allem eine Kuriosität. „Die Leute sind meinetwegen immer verwirrt. Das liegt daran, dass meine Haut kupferrot ist, als wäre ich von oben bis unten mit Zedernholzstaub bedeckt, ich aber helle, runde Augen habe. Dazu die teuren Kleider … […] Mr. Locke sagte immer, das ich »so eine Art Zwischenwesen« sei.“ (S. 15) Januarys Vater arbeitet für Mr. Locke und reist auf der ganzen Welt umher und bringt Schätze für Mr. Locke nach Hause. Doch den größten Schatz vergißt er dabei: seine eigene Tochter. Bis er eines Tages verschwindet und Januarys Leben völlig aus den Fugen gerät.

Die Zehntausend Türen ist ein Buch im Buch, welches January auf magische Art und Weise in die Finger gerät, ihr Trost spendet und ihr eine Geschichte erzählt, die viel mit ihrem eigenen Leben gemeinsam hat. Es handelt von Türen, die nicht einfach von einem Raum in einen anderen führen. „Diese Türen führen in die Anderswelt, nach Walhalla, Atlantis und Lemuria, in den Himmel und die Hölle, in all jene Richtungen, in die du nicht mithilfe eines Kompasses finden kannst, ins Anderswo.“ (S.8) „Türen lassen Wandel ein. Und daraus entwickelt sich alles Weitere: Revolutionen, Widerstand, Handlungsfähigkeit des Einzelnen, Umstürze, Erfindungen, Zusammenbrüche, Reformationen – kurzum die bedeutendsten Impulse der Menschheitsgeschichte.“ (S. 82)

Doch es gibt auch Leute, die diese Türen geschloßen haben wollen, die sich vor Wandel fürchten und eine beständige, scheinbar sichere Welt wollen. Und sie wollen January.

Ich habe die Geschichte der Türen sehr genossen, January war mir jedoch unsympathisch. Erst auf den letzten 100 Seiten hat sie ihr Potential erkannt und entfaltet, doch dafür ist das Buch einfach zu dick. Bis dahin habe ich jedem weiteren Kapitel über Türen entgegengefiebert und war fast schon gelangweilt von Januarys eigener Geschichte. Sie ist einfach zu brav.

Vor allem hat mich an ihrer Geschichte jedoch die Betonung der Hautfarben gestört. Ich verstehe, daß Schwarze Anfang des 20. Jahrhunderts keine Freude in den USA hatten und daß das eine maßlose Untertreibung ist. Aber es hätte der Geschichte kein Abbruch getan, die Geschehnisse für sich sprechen zu lassen, statt alles mit der Hautfarbe zu erklären. Der Zusammenhang wäre schon deutlich gewesen, da January als Zwischenwesen nirgends richtig hineingepaßt hat. Zeigen, nicht erzählen.

Obwohl Die zehntausend Türen absolut spannend klang, hat es mich nicht durchgängig fesseln können. Trotzdem sollte jeder, der neugierig ist, den Weg zu einer Tür wagen. Und dieses Buch besteht aus zehntausend Türen!

„Später fand ich heraus, dass ihr Volk keine höhere Zahl als Zehntausend kannte. Sagte man, dass etwas zehntausendmal existierte, bedeutete das, es sei zwecklos, es zu zählen.“ (S. 214)