Rezension

Spannend, obwohl trauriges Ereignis

Die Frau des Piloten - Anita Shreve

Die Frau des Piloten
von Anita Shreve

Ein trauriges Ereignis als Mittelpunkt einer Geschichte, die ganz leise anfängt und dann immer spannender wird, unerwartet und nicht zum Guten für die Protagonisten, jedoch unterhaltsam für die Leser.

Das Thema im Mittelpunkt scheint erst die Trauer einer Frau und ihrer Tochter über den Verlust des Ehemannes beziehungsweise des Vaters, der bei einem Flugzeugabsturz sein Leben verlor. Höchst interessant und daher der Grund, weshalb ich zu diesem Roman griff, fand ich vor allem die Tatsache, dass einmal die andere Seite beleuchtet wird. Ein Flugzeug stürzt ab, alle Insassen und die Piloten sterben dabei. Was führte zum Absturz, wo lag der Fehler wie geht man weiter vor? Die Untersuchungen laufen sofort heiss, Gründe werden gesucht, eine Erklärung für die Ereignisse zusammen geflickt. Aber wann hört man mal die Frage: Und wie geht es den nächsten Familienmitglieder in dieser Situation? Wie gehen die Angehörigen damit um? Und inwiefern verändert dies ihr Leben? Nicht nur der Verlust einer geliebten Person zu verkraften, aber auch den Rummel über den Absturz, die aufdringliche Presse und die Öffentlichkeit zu überstehen, die nach Antworten verlangen. Dieser Roman erzählt die Sicht der Frau des Piloten und deren gemeinsamer Tochter. Kathryn in ihrer Mutterrolle möchte die Mattie in dieser schweren Zeit beschützen, obwohl sie selbst in ihrer Trauer versinkt. Und dann kommen noch Erkenntnisse hinzu, die zur einer grossen Frage führen: Kannte sie ihren Mann überhaupt?

Sind wir diejenigen, die wir vorgeben zu sein? Wie gut kennen wir unsere Familienmitglieder, unsere Partner wirklich? Wie leicht lässt sich ein Doppelleben verstecken und wie und wieso ist dies überhaupt möglich? Kleine Entdeckungen, wie eine Telefonnummer in Jacks Kleidung, führen zu brisanten Infos und bringen Schwung in die Geschichte. Obwohl anfangs der Erzählrhythmus noch eher langatmig daher kommt, gewinnt die Sache an Spannung und Schwung erst in der zweiten Romanhälfte. Die Stimmung bleibt düster, traurig, manchmal wütend und hoffnungslos. Aber überall gibt es einen Lichtglanz am Horizont, eine Prise Hoffnung, die die Erzählung würzt, die Finsternis aufhellt und Schatten wirft. Graunuancen, die einer Geschichte Charakter verleihen und hier sind das zum einen Robert Hart, zum anderen eine Person, die ich hier nicht spoilern möchte.

Mit Blick auf den Schreibstil, genauer gesagt gewisse Beschreibungen, vermute ich eigene Trauererfahrungen der Autorin hinter dieser fiktiver Geschichte. Ich glaube kaum, dass geschilderte Details oder eine gewisse Sicht auf spezifische Dinge einer Person auffallen, die (bisher) niemanden verlor. Ein solcher Roman ernährt sich von eigener Erfahrung, um den richtigen Ton zu finden und die Authentizität sicher zu stellen. Und so schafft es die Autorin, dass man sich gut in die Hauptprotagonistin fühlen kann, ihre Reaktionen und Handlung versteht, obwohl man selbst in einer vergleichbaren Situation vielleicht anders handeln würde. Doch wer weiss das schon? Führen uns nicht Extremsituationen an Grenzen, die wir uns selbst nicht zutrauten? Lassen Extremsituationen uns nicht das wahre Gesicht erkennen? Denn ich glaube, dass jeder unterschiedlich damit umgehen würde. Dieser Roman zeigt eine Variante einer sehr schwierigen Traurerverarbeitung, die ich keinem wünsche, aber sehr lesenswert (im Sinne des Unterhaltungswertes) fand. 
 

4 / 5 Sterne