Rezension

Spannender Thriller mit Gruselfaktor

Heimgesucht -

Heimgesucht
von Mark Edwards

Bewertet mit 4 Sternen

Die rote Witwe im Wald

„Trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl. Es dauerte eine Weile, bevor mir klar wurde, woran das lag. Ich hatte ein Buch über entführte Kinder geschrieben – und die Landschaft ähnelte der Beddmawrs auf gespenstische Weise.“

Inhalt

Lucas Radcliffe kehrt als Erwachsener nach Wales, an den kleinen Ort seiner Kindheit zurück, um dort an seinem neuen Buch zu arbeiten. Er selbst hat wenig Erinnerungen an den Ort und mietet sich bei der jungen Julia Marsh ein, deren Haus ein Schriftstellerefugium werden soll, in dem sich mehrere Autoren treffen, um an ihren jeweiligen Büchern zu arbeiten. Das Haus liegt abgeschieden am Waldrand und angeblich soll es dort spucken, denn aller 35 Jahre kommt die rote Witwe zurück, um sich ein Kind zu holen. Das erfährt Lucas allerdings erst nach und nach, denn obwohl er Gruselromane schreibt, glaubt er selbst überhaupt nicht an Geister.

Doch Lily, die Tochter seiner Vermieterin soll angeblich ertrunken sein, obwohl nie jemand ihre Leiche gefunden hat und nachts eine Kinderstimme im Haus erklingt, weigert sich der Autor die alte Geschichte über die rote Witwe ernst zu nehmen. Stattdessen bemüht er eine Privatdetektivin, die herausfinden soll, was mit Lily geschah. Tatsächlich entdeckt sie eine heiße Spur bei den alteingesessenen Männern des örtlichen Schachclubs, doch ihre Informationen kann sie nicht an Lucas weitergeben, denn sie verschwindet ebenso spurlos wie das kleine Mädchen. Und während die ersten Schriftstellerkollegen das Haus verlassen, weil sie seltsame Dinge sehen, verbeißt sich Lucas erst recht in die Geschichte, zumal er sich zu Julia, der Hausbesitzerin magisch hingezogen fühlt.

Meinung

Auf dieses Buch bin ich mehr aus Zufall gestoßen, weil ich einige begeisterte Leserstimmen wahrgenommen habe und mich gerade in der dunklen Jahreszeit gerne in eine spannende Lektüre mit Gänsehautmomenten vertiefe. Und obwohl ich kein Fan von Gruselromanen bin, konnte mich der englische Autor, der sich auf psychologische Thriller mit Schauerelementen spezialisiert hat, direkt begeistern. Das Setting in einer kleinen, eingeschworenen Gemeinde, in der jeder Neuankömmling misstrauisch beäugt wird, hat mir ausgesprochen gut gefallen. Und obwohl ich zunächst unschlüssig war, ob mir das Spukgeschehen im Haus wirklich zusagt oder nicht, wandelt sich die Story immer mehr zu einem waschechten Thriller, bei dem es vielleicht keinen klassischen Mörder und auch kein unschuldiges Opfer gibt, dafür aber eine dunkle, mysteriöse Geschichte in der Vergangenheit, deren Puzzleteile erst nach und nach sichtbar werden.

Das Buch bietet zahlreiche Einblicke, eben weil es aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Eine davon gehört der Tochter Lily, die bereits vor ihrem tatsächlichen Verschwinden ein sehr ungutes Gefühl hatte, es ihren Eltern aber nicht anvertraute, weil diese ständig nur miteinander stritten. Auch die Nebenfiguren des Romans sind glaubwürdig ausgearbeitet und treten miteinander in Interaktion, so dass der Leser immer ein bisschen mehr weiß oder zumindest ahnt, als der verzweifelte Lucas. Der Spannungsbogen des Buches ist genial, denn man muss unbedingt erfahren, inwieweit die Legende der Gemeinde zu den tatsächlichen Ereignissen geführt hat. Denn Lucas selbst sieht eine Frau im roten Mantel, die plötzlich mitten im Wald vor seinen Augen verschwindet und es kommt tatsächlich aller 35 Jahre zu einer Kindesentführung mit möglicher Todesfolge, doch Männer, die in Lucas Kindheit jung genug waren, sind mittlerweile viel zu alt, um als Straftäter in Frage zu kommen. Außerdem spricht die Legende von einer Frau und da gibt es wesentlich weniger Verdächtige …

Fazit

Ein spannender Thriller, der im Lauf der Geschichte den Gruselfaktor etwas abstreift und dadurch umso realistischer erscheint. Selbst wenn man Schauerromane nicht sonderlich anziehend findet, kann man sich gut in diese Erzählung einfinden.

Die Handlung ist klar umrissen und alles dreht sich um die Frage der Wahrheit, die bis zuletzt in zahlreichen Facetten erscheint. Gerade die Handlung in der Vergangenheit hat mir besonders gut gefallen, auch wenn ihre Ausarbeitung etwas kurz geraten ist und einige Leichen den Weg säumen, die ich nicht gebraucht hätte. Insgesamt ein schauriges Lesevergnügen, bestens geeignet für dunkle Leseabende, idealerweise an einem einsamen Ort mit dunkler Geschichte.