Rezension

Subs – Thor Kunkel

Subs - Thor Kunkel

Subs
von Thor Kunkel

Sie glauben, es gibt keine Sklaven in Deutschland, in ihrer Stadt, in ihrer Straße?

Sind sie sicher?

 

Das Paar Müller-Dodt sucht eigentlich nur eine neue Haushaltshilfe. Ein Mädchen für alles, das die Grunewalder Villa peinlich sauber hält, einkauft, die Hecken im Garten stutzt und auch mit den Lebewesen im Großraumterrarium im Keller klar kommt. Die Suche gestaltet sich schwierig, doch nachdem Claus eine ungewöhnliche Anzeige geschaltet hat, meldet sich ein etwas ungleiches Paar und bietet seine Dienste an: Dienste als Sklaven des Hauses Müller-Dodt.

Evelyn Müller-Dodt, Rechtsanwältin von Beruf, hat Bedenken, rechtliche und moralische. Doch ihr ist durchaus bewusst, dass es schwierig wird, jemanden zu finden, der die pingelige Aversion ihres Mannes gegen Staub und die Begeisterung für die Schlangen und das Krokodil im Keller teilt.
Sie lässt sich auf das Projekt ein. Ihr Mann Claus ist völlig hin und weg von Bartos, der eine Rede nach der nächsten schwingt und die alte römische Staatsform im Hause Müller-Dodt aufleben lässt. Bartos ist promovierter Alt-Philologe, im Leben gescheitert und anstatt sich mit Arbeitslosigkeit, Schulden und fehlenden Zielen abzufinden, bietet er sich und seine Dienste als Sklave an. Er schafft es, den Hausherren für diese Art des Lebens zu begeistern und alle Bedenken von Evelyn werden mit historischen Beispielen wegargumentiert. Vorerst klappt auch alles hervorragend:
Lana und Bartos ziehen in die Anliegerwohnung des Hauses. Lana kümmert sich um den Haushalt, die Einkäufe und das Essen. Bartos hält den Garten und das Terrarium in Schuss und regelt alles Organisatorische. Am Abend ziehen sie sich diskret zurück und die Müller-Dodts genießen ihre abgeschiedene, perfekte, abgeschlossene Welt.

Doch es bleibt nicht bei den üblichen diskreten Diensten. Lana verwöhnt die Hausherrin mit Wellnessbehandlungen, Bartos tüftelt Architekturpläne für einen Weinkeller und einen Pool im Garten aus. Claus ist begeistert und hängt dem Herrschaftsgedanken nach.

Doch so langsam rinnt das Glück davon. Claus lässt sich zunehmend beeinflussen, als Schönheitschirurg passieren ihm Fehler in der Klinik, er benimmt sich herablassend und ist von sich selbst mehr als überzeugt. Evelyns Gewissen lässt sich kaum noch beruhigen. Erst recht nicht, als Bartos den aufwendigen und teuren Ausbau des Gartens mit gleichgesinnten Aushilfen starten will. Unbemerkt hat sich hinter dem Haus eine kleine Zeltstadt gebildet. Die Bewohner sprechen eine fremde Sprache, waschen und kochen über offenem Feuer und werden von Bartos beaufsichtigt. Es sind ganze Familien, von denen Evelyn keinen einzigen Namen kennt. Ihr Mann ist nach wie vor begeistert. Der Bau schreitet voran, er und seine Frau müssen sich um nichts kümmern und bekommen nicht viel mit. Kleine Schwierigkeiten mit den Sklaven werden von Bartos geregelt, ganz im Sinne des römischen Leitbildes. Futterrationierung und kleinere Züchtigungen liegen im Ermessen des Oberaufsehers. Evelyn vertraut sich ihrem Mentor an. Der ist Richter und müsste ihre Gewissensbisse und die rechtliche Zwickmühle doch nachvollziehen können. Doch schockierender Weise muss Evelyn feststellen, dass niemand ihre Bedenken teilt. Im Gegenteil, die Nachbarschaft leiht sich einige Sklaven für diverse Bauprojekte aus, u.a. auch der Richter für den Bau einer hauseigenen Kegelbahn.

Evelyn und Claus verstricken sich immer weiter in das römische Leben von Herrschaft und Sklaven, ignorieren zunehmend die Wirklichkeit und sind nicht mehr die Herren ihres eigenen Lebens. Nachdem Claus nur noch Toga trägt und sich eine Liebschaft mit Lana andeutet, Bartos womöglich einen Sklaven an das Krokodil verfüttert hat und die Zeltstadt immer größer wird, reißt Evelyn aus. Sie nimmt sich eine Auszeit bei ihrer Schwester in New York.

Alles läuft aus dem Ruder und das Ehepaar muss sich der Frage stellen, ob sie so ein Leben wirklich verantworten können und führen wollen. Doch müssen sie auf diese Frage erst einmal kommen.

Ein ungewöhnliches Buch. Spannend und schockierend, da es einfach unglaublich ist, wie einfach und unbemerkt sich Menschenhandel und Sklavenhaltung in unserem Leben ausbreiten können. – Unbemerkt, unkommentiert und geduldet. Aktuelle Zeitungsausschnitte zum Thema machen nachdenklich.
Allerdings auch Bartos Reden und Aussagen, lieber ein Sklave als ein Hartz IV-Empfänger zu sein. Die Sozialstrukturen unserer Gesellschaft erscheinen mehr als zweifelhaft nach Lektüre dieses Buches.

Die etwas hochgestochene Sprache nervt gelegentlich, passt aber zu den Müller-Dodts und unterstreicht ihre exklusive Sicht auf das Leben. In die Heyne HardCore Reihe ist dieser Titel wahrscheinlich durch die Brisanz des Inhalts gerutscht. Es gibt keine klassische kriminalistische Handlung, keine blutigen Szenen oder Verfolgungsjagden. Trotzdem ist die Story spannend, ausgefeilt, aufregend im wahrsten Sinne des Wortes.

Spannend, satirisch, ironisch, kritisch – lesen Sie dieses Buch und werden aufmerksamer auf ein Thema, dass nicht nur der dritten Welt vorbehalten ist!