Rezension

Teils abgedrehter Polit- und Umweltthriller

Strahlendes Eis -

Strahlendes Eis
von Michael Lüders

Bewertet mit 4 Sternen

Die verbleibenden Tage der älteren Herren aus Dänemark sind gezählt; denn sie waren 1968 in Grönland beim Schutt-Räumen nach dem Absturz eines B-52-Bombers verstrahlt worden. Ihr letzter Wunsch nach Genugtuung anlässlich einer Veranstaltung von Umwelt-Aktivisten in Reykjavik wäre jedoch beinahe am Anschlag gescheitert, der auf ihren Transporthubschrauber verübt wird. Ole Jensen, ein weiterer älterer Herr, Zeitzeuge des Bomberabsturzes, fühlt sich schuldig an den Spätfolgen der Wasserstoffbomben und will seinen letzten Lebensabschnitt nutzen, um der Wahrheit Raum zu schaffen. Hauptakteure in Michael Lüders drittem Band um die deutsche Journalistin Sophie Schelling und ihren Kollegen/Ex-Lover Harald sind neben korrupten Politikern und gierigen Kapitalisten der Inuit Natan Hammond als Shooting-Star der Umweltbewegung Grönlands, sein traditionell lebender Vater und die Umweltaktivistin Birgitta Arnósdóttir, die letztere als Zeugin/Opfer des Hubschrauberabsturzes auf der Flucht vor der Kapitalisten-Clique und ihren Handlangern.

Die Handlung spielt im Island der Gegenwart nach der Finanzkrise von 2008, die die Loyalität der Isländer gegenüber ihrem Staat - hier - merklich geschädigt hat. Da das Schürfen nach seltenen Erden exakt an der Unglücksstelle zurzeit hohen Profit verspricht, soll offenbar der radioaktive Müll von 1968 verklappt und zubetoniert werden, ohne Rücksicht darauf, dass die Lagerstätte – bedingt durch das Abschmelzen des Eises im Zuge des Klimawandels – alles andere als sicher sein wird. Michal Lüders Figuren treten in einem filmreifen Szenario gegeneinander an, in dem hemmungslos mit Kettenfahrzeugen, Sprengstoff und Anschlägen aller Art agiert wird.

In Polit- und Spionagethrillern interessieren mich hauptsächlich die Figuren in ihren wechselnden Rollen. Harald, der vom indischen Subkontinent stammt und „nicht aussieht wie ein Harald“, fand ich daher hochinteressant, solange um seine Enttarnung zu bangen war. Als Fan von Handlungen in Schnee und Eis fühle ich mich mit dem Thriller gut bedient, die Materialschlachten wären nicht nötig gewesen. Imponieren konnte mir besonders die ungewöhnliche Verbindung von teils abgedrehter Thrillerhandlung und der im Anhang zitierten inspirierenden Literatur (z. B. Lévi-Strauss, Malaurie).

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Serieninfo: Band 3 von 3, unabhängig von den Vorgängerbänden zu lesen