Rezension

Toller Roman

Der große Gatsby
von F. Scott Fitzgerald

Bewertet mit 4 Sternen

Ich rechnete eigentlich damit, dass der Inhalt aus der Perspektive des großen Gatsbys erzählt wird. Doch ich habe mich getäuscht. Wir lernen Nick kennen, der von seinem turbulenten Start in einer neuen Heimat erzählt und uns seinen beliebten Nachbar den großen Gatsby vorstellt. Gantsby ist ein geselliger Mann. Ständig steigt irgendeine Party in seinem großen Haus. Doch die wenigsten Gäste kennen den Gastgeber. An dieser Stelle habe ich mich kurz gefragt, ob Gatsby eine Art Gordot ist. Jeder weiß, dass es ihn gibt, aber niemand hat ihn wirklich gesehen. 
Gatsby tritt schließlich aus der Deckung. Denn er ist an einer Freundschaft zu Nick interessiert. Und nicht nur das: Er vertraut seinem Freund auch ein Geheimnis an. Ein Geheimnis, das schwere Folgen haben wird. 
Ich war fasziniert davon, wie F. Scott Fitzgerald die Entwicklung unserer Figuren herausgearbeitet hat. Nick lernen wir vor allem als Beobachter kennen. Er ist ein angenehmer Zeitgenosse, ist aber vor allem unauffällig und bemüht, sich keine Feinde zu machen. Der Gatsby wirkt gesellig, doch steckt hinter dieser Fassade etwas ganz anderes. 
Die Veränderungen der Charaktere werden leise erzählt. Genau dieses Stilmittel hat mir sehr gut gefallen. 
Auch der Aufbau des Spannungsbogens war interessant. Während ich zu Beginn den Eindruck hatte, dass es vor allem darum geht uns die 1920 Jahre näherzubringen, entwickelte sich diese lebendige, euphorische Stimmung Stück für Stück zu einem kleinen Thriller. Es war klar, dass bald noch etwas passierte. Die Frage war nur was bzw. wer daran beteiligt sein wird. 
Was die Hörbuchgestaltung betrifft, gab es für mich diesmal eine Premiere. Aber kommen wir erstmal zu den Fakten: Das Hörbuch wurde ungekürzt im Diogenes Verlag produziert. Ich habe bisher schon einige Titel aus dem Diogenes Verlag gelesen und bin froh, dass der Verlag auch Hörbücher produziert. Gehört habe ich den Titel aber über Audible. 
Die Premiere kommt folgendermaßen zustande: Wenn mir auf Buchmessen Hörbücher vorgestellt werden, ist eine meiner ersten Fragen, wer das Hörbuch liest. Gert Heidenreich ist ein Name, der mir schon sehr häufig begegnet ist. Bisher habe ich aber keinen Titel gehört, der ausschließlich von ihm gelesen wurde. Ich habe ihn vor allem in Anthologien erlebt und konnte ihn meist nicht zuordnen. Er gehört für mich aber zu der Stammbesetzung der Hörbuchsprecher. 
Gert Heidenreich hat eine tiefe, angenehme Stimmfarbe, die mir auf Anhieb gefallen hat. Ich war fasziniert davon, wie er es geschafft hat, den teils recht anspruchsvollen Schreibstil so zu interpretieren, dass ich nicht über Sätze gestolpert bin, oder manche Stellen nochmal hören musste. Er hat es geschafft, die leisen Töne des Hörbuches herauszuarbeiten, aber ohne, dass seine Interpretation an Dynamik verloren hätte. 
F. Scott Fitzgerald hat einen recht anspruchsvollen Schreibstil. Mir begegneten nicht nur einige Schachtelsätze, sondern ich musste auch darauf achten, den Inhalt zwischen den Zeilen zu erkennen und begreifen zu können. Was mir sehr gut gefallen hat war, wie er die 1920er Jahre und deren Oberflächlichkeit in Worte fassen konnte. 
Gesamteindruck
Als ich das Hörbuch beendet habe, war ich sehr unzufrieden mit dem Ende, weil es einfach ein tragisches Ende hat. Warum begründe ich im nächsten Abschnitt. Doch jetzt, nachdem ein paar Tage vergangen sind, fand ich den Titel ziemlich genial und kann sagen, dass es wirklich einer meiner Monatshighlights war. 
Zum Film 
Meine Kritik bezieht sich auf die Neuverfilmung aus dem Jahr 2013 mit Leonardo di Caprio in der Rolle des Gatsbys. Leider hat mir die Verfilmung überhaupt nicht gefallen. Der 20er Jahre Flair kam überhaupt nicht bei mir an, was zum einen viel mit der Filmmusik und den eingespielten Beats zu tun hatte, aber zum anderen auch mit der Geschwindigkeit des Filmes. Das Tempo war mir zu schnell. Dadurch gingen die leisen Töne und das was zwischen den Zeilen passiert verloren. 
Außerdem hat Gatsby zwei Wutausbrüche bekommen, die überhaupt nicht zu ihm als Charakter passen und ihn eher verfremden.