Rezension

Tolles Prequel!

Magie - Trudi Canavan

Magie
von Trudi Canavan

Bewertet mit 4 Sternen

Tessia wächst als die Tochter eines Dorfheilers in Kyralia auf, und nichts wünscht sie sich sehnlicher, als selbst Heilerin zu werden. Doch eines Tages wird offenbar, dass Tessia selbst über die Gabe der Magie verfügt, und ohne diese Ehre jemals erwartet zu haben, findet sich die junge Frau plötzlich als Novizin des zauberkundigen Lord Dakon wieder. Bei aller Begeisterung und allem Stolz über ihre unerwartete Bestimmung erkennt Tessia jedoch schon bald, dass mit ihren magischen Kräften auch große Gefahren einhergehen. Denn Kyralia steht kurz vor dem Krieg mit dem Nachbarreich Sachaka - und Tessia muss schneller lernen, ihre Magie zu beherrschen, als jemals eine Novizin vor ihr...

Vor etwa zwei Jahren bekam ich von den Begeisterungsstürmen um Canavans Reihe "Die Gilde der schwarzen Magier" mit. Handlung und Charaktere schienen genau in das thema zu passen, das ich am liebsten lese, und so brachte ich die drei Erfolgsbücher hinter mich. Mit Mühe. Und viel Enttäuschung. Daher empfand ich meinen spontanen Kauf von "Magie" als sehr gewagt. 

Das Buch umfasst, Glossar mitgerechnet, 731 Seiten sowie zwei Landkarten von Kyralia bzw. Sachaka, die tatsächlich eine schöne Hilfe sind, um die Story noch intensiver mitzuerleben und nachzuvollziehen. 

Die Handlung klingt auf den ersten Blick wie übliche Fantasy-Schreibe - ein Mädchen verfügt plötzlich über magische Kräfte, während ein Krieg bevorsteht - , aber der Klappentext verrät tatsächlich nur die Grundstruktur der Geschichte. Denn diese ist weitaus vielschichtiger, was sich aufgrund des Umfangs auch erahnen lässt ("Magie" ist wirklich ein dickes Buch!). Denn Tessia ist hier, im Gegensatz zu vielen anderen Storys, nicht die Heldin im Krieg, sondern "nur" ein Puzzlestück von vielen: die Personen kommen, sind präsent und rücken wieder in den Hintergrund, allerdings ohne je in Vergessenheit zu geraten. Inzwischen erwarte ich fast ein lautes Stimmengewirr zu hören, wenn ich das Buch aufschlage, so viel ist da los!,  Nicht unerwähnt sollte außerdem die Geschichte bleiben, die etwa in der Mitte des Buches eingeführt wird und parallel abläuft: die Geschichte einer jungen Sachakanerin namens Stara. Diese Idee empfinde ich als sehr gelungen, denn sie lockert nicht nur die Geschehnisse in Kyralia und rund um Tessia&Co ab, sondern sie macht auch nachdenklich: sie beleuchtet die Geschehnisse von einer anderen Seite - von der Seite des Feindes - und man findet sich als Leser prompt zwischen den Fronten wieder: wer ist hier der Gute, wer der Böse? Gibt es in dieser Geschichte überhaupt diese klassische Einteilung? - Definitiv nicht! Denn die Sichtweise wechselt stetig - mal wird aus Tessias Sicht erzählt, mal aus Ikaros Sicht - ein gegnerischer, sachakanischer Magier, dessen Absichten und Gefühle tatsächlich logisch sind. Er "haut nicht einfach drauf", nein, er hat Beweggründe, wie das bei den Menschen nun mal (meistens) ist. Es gibt sympathische, ruhige Sachakaner, es gibt liebevolle und aufopfernde Kyralier, und es gibt gefährliche, rachsüchtige Sachakaner und mordende, verzweifelte Kyralier. Trudi Canavan lässt ihre Protagonisten auf einer sehr menschlichen Ebene auftreten, was mir sehr gut gefallen hat. Zu loben ist noch einmal der Handlungsstrang um Stara, der wirklich sehr interessant zu lesen war - andere Länder, andere Sitten! 

Wie erwähnt, treten wirklich sehr viele Personen auf. Einige davon werden genauer ins Visier genommen, andere nur beobachtet oder beschrieben. Aber es wirkt nie zu viel oder zu voll; Canavan schreibt sehr ausführlich und beschreibend, was aber nicht zu Langeweile beiträgt. Auch die Geschehnisse sind durchdacht und logisch, die Beschreibung der Kriegsfolgen schonungslos. Also: vier Sterne fürs Konzept, die tiefgründigen Charaktere und die Erzählweise!

Ein Stern bleibt allerdings aus. Warum? Gegen Ende zieht es sich tatsächlich ein bisschen: bei allen Charakteren, in allen Lebensbereichen kommt es nun auf alles an - und das wird deutlich beschrieben, oft verbunden mit häufigen Sichtwechseln. Diese bringen den Fortgang allerdings ins Stocken; es ist, als würde man nicht von der Stelle kommen, weil man seine Augen tatsächlich überall hat. Aber wer so viele Personen einbringt, muss ihre Geschichten natürlich konsequent zu Ende erzählen! Das hätte vielleicht kürzer gemacht werden können in einem Rückblick oder einem anderen Epilog. 

Fazit: Keiner meiner Zweifel war gerechtfertigt: "Magie" ist ein wunderbarer, spannender und mal etwas anderer Schmöker für lange Urlaubstage oder schlaflose Nächte ;) Und vielleicht ist es Zeit für mich, noch einmal auf Sonea zu treffen und ihre Geschichte aufmerksamer zu lesen als ich es vermutlich getan habe.