Rezension

überspitzt, anders, richtig gut

Nichts - Janne Teller

Nichts
von Janne Teller

Bewertet mit 5 Sternen

Janne Teller schreibt mit "Nichts: Was im Leben wichtig ist." ein außergewöhnliches Jugendbuch über den Sinn des Lebens, die "Bedeutung", und dem Versuch einer Klasse, sie zu finden.

Es ist der erste Schultag nach den Sommerferien, als die Welt der 7A im fiktiven dänischen Ort Taering ins Wanken gerät. Einer ihrer Mitschüler, Pierre Anthon verlässt mit den Worten "Nichts bedeutet etwas. Das weiß ich schon lange. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden" das Klassenzimmer und sitzt fortan auf dem Pflaumenbaum vor der Schule und bewirft seine ehemaligen Mitschüler mit Pflaumen und mit seinen nihilistischen Worten. Die 13- und 14-jährigen Schüler um die Ich-Erzählerin Agnes wollen von dieser Zerstörung ihres Weltbildes nichts hören, besonders aus Angst Pierre recht geben zu müssen, und beschließen ihn vom Gegenteil zu überzeugen, in dem sie Dinge von Bedeutung zusammentragen und im alten, verlassenen Sägewerk zu einem "Berg aus Bedeutung" aufhäufen.

Zuerst beginnt die Geschichte harmlos. Die Jugendlichen sammeln im Ort Dinge ein, die für irgendjemanden eine Bedeutung haben, doch sie merken, dass diese Gegenstände nicht wirklich überzeugen können. Daher beschließen sie, dass es etwas sein muss, das für jeden von ihnen selbst von größter Bedeutung ist und so wählt jeder von einem anderen Schüler aus, was er für das Bedeutsamste hält. Auch hier beginnt alles harmlos: Ein Paar Schuhe, ein Tagebuch, eine in Formalin konservierte Schlange aus dem Biologieraum der Schule...

Doch die Autorin arbeitet mir Steigerungen, sowohl in der Sprache, in der immer wieder Dreierketten wie "Angst. Mehr Angst. Am meisten Angst." vorkommen, also auch in der Handlung. Die Schüler empfinden den Verlust ihrer liebsten Dinge als Angriff auf sich selbst und sind boshaft erpicht darauf, dem nächsten etwas noch wertvolleres zu nehmen. So verliert ein muslimischer Schüler seinen Gebetsteppich, ein Mädchen seine Unschuld und ein Gitarrenspieler seinen Zeigefinger.

Dieser Roman überschreitet sehr bewusst und erschreckend grausam jede Grenze. Die Konsequenz, mit der die Autorin ihre Geschichte zu Ende bringt, ist beeindruckend, ebenso wie die Geschwindigkeit mit der sie die Handlung voran treibt. Beim Lesen saß ich mehrmals mit angehaltenem Atem da, sicher, dass die nächste Gräueltat das Ende sein würde, das die Jugendlichen zu Verstand bringen würde, und umso erschütterter, wenn dies nicht der Fall war. Immer, wenn ein einzelner sich auflehnen wollte, siegte der Gruppenzwang, Gewalt und der teife Wunsch Pierre Anthon zu zeigen, dass sie die Bedeutung gefunden hatten.

Sicherlich glänzt der Roman nicht durch Realismus, sondern ganz im Gegenteil dadruch, dass die Idee ohne jeden Kompromiss auf die Spitze getrieben wird. Nur so wird es ein wirklich schockierendes, faszinierendes Buch über das, was im Leben wichtig ist.

Als Fazit also: Für mich ein sehr gutes Jugendbuch, das allerdings nicht für unter 14-jährige geeignet ist und besonders durch seine Andersartigkeit besticht und auf nur rund 140 Seiten erschreckt und fesselt, wie wenige Juegendbücher es tun. Klare Leseempfehlung.