Rezension

Überzeugende Anthologie mit schaurig-schönen Geschichten…!

Schaurige Nächte -

Schaurige Nächte
von Bridget Collins

Die Tage sind dunkler geworden. Graue Wolken ballen sich am Himmel und verwehren der Sonne ein Durchkommen. Regen peitscht über das Land. Der Wind zerrt an den letzten Blättern der Bäume und wirbelt das Laub in die Luft. Es riecht modrig nach Vergänglichkeit. Zudem kommen jetzt – bevor der Advent mit seiner Vielzahl an Lichtern die Dunkelheit erhellt – die traurigen Tage mit Volkstrauertag, Buß- und Bettag und Totensonntag. In wenigen Tagen begehen wir den Reformationstag… – Äh, sehe ich da etwa einige meiner Leser*innen stutzen? Ist euch etwa der Reformationstag unbekannt? Dann kennt ihr ihn sicherlich unter seinem „neuen“ Namen: Halloween!

Ich persönlich verbuche Halloween unter der Rubrik „Dinge, die die Welt nicht braucht“. Was haben wir mit Halloween zu schaffen? Jedes Jahr warte ich vergeblich darauf, dass sich „kritische“ Stimmen erheben und schmettern „Das ist kulturelle Aneignung!“. Doch bisher wartete ich vergebens…!

Unabhängig der div. Begrifflichkeiten sind wir uns sicherlich alle einig, dass die dunkle Jahreszeit begonnen hat. Während es draußen zunehmend ungemütlicher wird, machen wir es uns drinnen mit Tee, Keksen und Kuscheldecke umso gemütlicher. Hätten wir dann noch einen Schmöker mit Grusel- und Schauergeschichten zur Hand, wäre die wohlig-warme Gänsehaut-Atmosphäre perfekt.

Glücklicherweise lieferte uns der DuMont Verlag mit „Schaurige Nächte. Unheimliche Geschichten für den Winter“ die passgenaue Lektüre. In acht Geschichten darf sich nun geängstigt, gegruselt und geschaudert werden. Dabei empfand ich es als äußerst wohltuend, dass hier nicht die bekannten Verdächtigen mit ihren schon allzu oft abgedruckten Stories zu finden waren. Vielmehr versammelte sich hier eine talentierte Schar von 7 Autorinnen und einem Quoten-Mann (Wie oft ist es genau umgekehrt!). Alle Beiträge sind frisch für diese Anthologie entstanden, somit beinah unberührt ohne jeglicher Abnutzungserscheinung.

Bridget Collins lässt in „Eine Studie in Schwarzweiß“ ihren Helden in einem einsamen Cottage eine Schachpartie gegen einen unbekannten/unsichtbaren Gegner spielen. In „Thwaites Mieter“ von Imogen Hermes Gowar versteckt sich eine junge Frau mit ihrem kleinen Sohn vor ihrem brutalen Ehemann in einem unheimlichen Haus. Bei Natasha Pulleys „Die Aal-Sänger“ stoßen die Helden mitten im unwirtlichen Moor auf eine merkwürdige Gruppe Menschen. In „Lily Wilt“ von Jess Kidd verliebt sich ein junger Mann in eine Tote und versucht ihren Geist mit ihrem Körper wieder zu vereinen. Bei Laura Purcell hat „Chillinghams Rollstuhl“ ein beängstigendes Eigenleben, das dessen Benutzerin an den Rand des Wahnsinns treibt. Andrew Michael Hurleys „Das Hängen des Grüns“ schwört beim Helden unangenehme Erinnerungen an eine grausige Vision aus der Vergangenheit herauf. Bei Kiran Millwood Hargrave fühlt sich eine junge Frau „Gefangen“, da Wahn und Wirklichkeit zunehmend miteinander verschmelzen. In „Ungeheuer“ von Elizabeth Macneal versucht ein Mann seine Gier nach Ruhm und Anerkennung zu stillen, indem er der Weltöffentlichkeit ein prähistorisches Ungeheuer präsentiert, und nicht bemerkt, wer in Wirklichkeit das Ungeheuer ist.

Häufig bei ähnlichen Anthologien gibt es zwei, drei Geschichten, die von ihrer literarischen Qualität abfallen, und beinah wirken, als wären sie als Lückenfüller im jeweiligen Buch gelandet. Doch dieser Sammlung darf ich mit Freude attestieren, dass alle Erzählungen mich mit ihrem überraschend hohen Niveau überzeugen konnten. Da mag mir zwar durchaus die eine oder andere Geschichte einen Hauch weniger gefallen haben, doch ist dies nur meinem persönlichen Geschmack geschuldet und sagt nichts über deren literarische Qualität aus.

Zumal allen Geschichten gemein ist, dass sie mit einem interessanten Handlungspersonal punkten und mit einem gekonnten Spannungsbogen meiner Aufmerksamkeit sicher sein konnten. Zudem sorgte so manches Mal ein raffinierter Twist, dass die Handlung in eine gänzlich andere Richtung zu einem für mich unvorhersehbaren Ende gelenkt wurde.

Natürlich haben die Autor*innen mit ihren gelungenen Geschichten das Genre nicht neu erfunden, aber sie zaubern durchaus die eine oder andere Nuance auf die Farb-Palette und lassen sie so bunter schillern.