Rezension

Ungewöhnlicher Ansatz, gute Umsetzung

Babydoll - Hollie Overton

Babydoll
von Hollie Overton

Bewertet mit 4 Sternen

Wenn das Leben eine zweite Chance bereithält

Doch sie wusste, dass sie fürs Erste in Sicherheit war und das sie geliebt wurde. Es war nicht das Leben, das sie sich vorgestellt hatte, als Lily zurückgekommen war, doch sie ging jeden Abend mit reinem Gewissen zu Bett.“

 

Inhalt

 

Lily Riser hat es geschafft: nach 8 Jahren Gefangenschaft an der Seite eines gewalttätigen Soziopathen ist es ihr gelungen, ihrem Peiniger zu entkommen. Gemeinsam mit ihrer Tochter Sky flüchtet sie sich in ihr Zuhause und alarmiert die Polizei. Es dauert nicht lange, bis der Schuldige zur Rechenschaft gezogen wird und nun hinter Gittern auf sein gerechtes Urteil wartet. Doch für Lily gestaltet sich der Neuanfang schwierig. Nicht nur, dass sie selbst und ihre Tochter dringend auf therapeutische Hilfe angewiesen sind, sondern vor allem die Tatsache, dass ihre Zwillingsschwester Abby nun ein Kind von Lilys Jugendliebe Wes erwartet. Mühevoll arbeitet sie an der Normalität, die sich einfach nicht einstellen möchte und verfällt dabei in eine leidvolle Lethargie. Abby möchte ihrer über alles geliebten Schwester helfen, doch solange ihr Entführer sich in jeden Gedanken schleicht, gibt es kein Morgen – es sei denn, sie nimmt das Glück selbst in die Hand …

 

Meinung

 

Der Debütroman der amerikanischen Autorin Hollie Overton greift einen ungewöhnlichen Ansatz für einen Thriller auf, zielt er doch genau auf jenen Zeitpunkt ab, bei dem die Opfer nicht getötet werden, sondern dank glücklicher Umstände tatsächlich entkommen sind. Und so wirkte das Buch auf mich in erster Linie als Spannungsroman und weniger als nervenaufreibender Thriller.

 

Die Autorin legt Wert auf menschliche Verhaltensweisen und versetzt sich in die Köpfe der Geschädigten nach einem äußerst dramatischen Schicksalsschlag. Geschickt verflicht sie die Leben ihrer Protagonisten miteinander, die nicht nur eine Familie waren, sondern auch immer noch eine sind. Obwohl klar ersichtlich wird, dass ein unbeschwerter Umgang miteinander längst nicht mehr die Realität ist. Inhaltlich konzentriert sie sich dabei auf eine ehemals intakte Beziehung zwischen den Zwillingsschwestern Lily und Abby, die nun auf dem Prüfstand steht und ununterbrochen durch Vertrauensbrüche belastet wird. Verzeihen, Verstehen und Mitleid kommen immer wieder zur Sprache und lassen den Leser das brüchige Verhaltenskostüm der Charaktere authentisch nachvollziehen. Im Verlauf der Geschichte gibt es dann aber doch einige aus meiner Sicht überspitzte Dramas, deren Ausarbeitung in dieser Form etwas aufgesetzt und übermotiviert wirken. Hinzu kommt ein klein wenig „Heile-Welt-Anstrich“, den es nicht gebraucht hätte. Doch generell packt einen die Überlebensgeschichte der jungen Frau schon, weil sie glaubwürdig geschildert wird.

 

Fazit

 

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen Spannungsroman, der kein richtiger Thriller ist und das Grauen eines gefolterten Entführungsopfers dennoch vortrefflich einfängt. Lobenswert erscheint mir die menschliche Vielfalt, die Komplexität der Erzählung, die betrüblichen Aussichten auf eine Zeit jenseits der Normalität, gefangen in einem Leben, welches mit schrecklichen Erinnerungen durchwirkt ist. Abwechslungsreich und innovativ – hat man doch die geschilderte Szenerie nicht allzu oft in der Literatur vor Augen. Über das familiäre Drama, welches sich anschließt kann man hinwegsehen. Ich habe es gern gelesen auch wenn es teilweise zu viel des Guten war.