Rezension

Vom Wert der Demokratie

Fürchtet euch und folgt uns - Michael Laczynski

Fürchtet euch und folgt uns
von Michael Laczynski

Bewertet mit 5 Sternen

Das Buch „Fürchtet euch und folgt uns: Die Politik der Populisten“ von österreichischen Publizisten Michael Laczynski ist 2017 im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen und versucht zu erklären, warum nicht nur in Europa sondern weltweit derzeit die Populisten ob von rechts oder von links überall scheinbar leichtes Spiel haben.

Er beginnt mit der Situation in Österreich nach der Wahl im Februar 2000 und die europäische Reaktionen darauf. Wiewohl ich damals das Ganze für eine leicht peinliche Überreaktion seitens der EU hielt frage ich mich aber seit Orban schon „wo ist sie denn, die unmissverständliche Reaktion der EU“? Wann zeigen wir endlich demokratische Flagge?

Das Buch kommt für ein Sachbuch sehr leichtfüßig, ja humorvoll, daher. Ich habe sehr viel über die Situation in den anderen europäischen Ländern gelernt. Laczynski kritisiert "Alle Vorteile der europäischen Integration - Frieden, Wohlstand, Reisefreiheit - werden als selbstverständlich hingenommen bzw. zu nationalen Errungenschaften hochstilisiert. Alle unbequemen Aspekte und Misserfolge hingegen werden ausschließlich der arroganten EU angekreidet." Dies nehme ich auch so wahr und erinnert mich sehr unangenehm an die Sprüche, die ich von so einigen (nicht allen!!!!) ehemaligen Bürgern der DDR kenne. Da wird das Leben in der DDR nostalgisch hochgehalten aber völlig ignoriert, um wie viel besser das Leben im heutigen vereinten Deutschland ist – die deutlich gestiegene Lebenserwartung soll hier nur ein Beispiel sein.

Der Autor outet den typischen Wähler (rechts-)populistischer Parteien sehr klassisch als weiß, schlechter Bildungsgrad, unterdurchschnittliches Einkommen, relativiert aber glücklicherweise im Laufe der Kapitel diesen Eindruck. So ist es eben auch die Mittelklasse, die noch etwas zu verlieren hat, die dem Populismus sehr zugeneigt ist. Und er weist darauf hin, dass die Politik der sozialen Kälte, die freie Bahn den Konzernen geschaffen hat durchaus mitschuldig an der aktuellen Situation ist.

Da die Rechtspopulisten in Europa in der Überzahl sind und deren Lieblingsthema Immigration und Angst vor Überfremdung ist, geht Herr Laczynski nachdrücklich auf dieses Thema ein und zeigt am Beispiel von Dänemark wie schwierig Integration fremder Kulturen ist. Leider fehlt mir hier eine klare Unterscheidung zwischen Immigration und – vorübergehendem Fluchtstatus aufgrund von Kriegssituationen.

Das Beispiel Dänemark zeigt, dass wir als Gesellschaft uns eben nicht nur auf „Vater Staat“ verlassen können. Nein, es braucht die gesamte Gesellschaft um Integration gelingen zu lassen. Wir fordern zu Recht, dass Immigranten sich hier anpassen sollen. Aber wie soll das gelingen wenn sie im stillen Kämmerlein sitzen, sich nicht auf die Straße trauen (z. B. Aufgrund schlechter Sprachkenntnisse oder rassistischer Pöbeleien) und niemand ihnen sagt wie es hier so läuft? Zumal wir uns in Europa mit der Organisation der aktuellen Flüchtlingssituation ganz bestimmt nicht mit Ruhm bekleckern.

Dieses Buch ist ein erster Abriss zur aktuell gefährdeten Demokratie in Europa. Das breite Spektrum das Herr Laczynski aufgefächert hat mir viel gegeben. Gleichwohl ist er unzufrieden und bemängelt, dass in diesem Buch z. B. Die Rolle der Medien und sozialen Netzwerke im Internet nicht ausreichend berücksichtigt werden. Nach meinem Dafürhalten ist dies zum jetzigen Zeitpunkt – zumal von nur einer Person – gar nicht möglich. Hier hat die Wissenschaft ein fruchtbares Arbeitsfeld.

Die Hoffnung des Autors in Bezug auf Deutschland teile ich nicht aber auch ich sehe nur ein „Keep Calm and Carry On“ um ihn ein letztes Mal zu zitieren.