Rezension

Wahnvorstellungen ****

Das Moorkind -

Das Moorkind
von Alma Lundt

Bewertet mit 4 Sternen

Kinderärztin Martha Roth geht auf in ihrem Job als Stationsleiterin, allerdings sind immer öfter Doppelschichten vonnöten, sodass sie irgendwann zu Schlaftabletten und Aufputschmitteln greift. Als sie eines Nachts meint, ein schwer misshandeltes Kind gesehen zu haben, das kurz darauf verstorben, aber niemals in die Pathologie gekommen sei, landet Martha kurzerhand in der Entzugsklinik. Eine Ärztin mit Wahnvorstellungen ist schließlich nicht tragbar im Krankenhaus. Fünf Monate später gilt sie als geheilt, allerdings ist inzwischen ihr Freund aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen und ihr Chef verweigert die Verlängerung ihres Dienstvertrags. Sogar Kater Truman scheint Martha abzulehnen. Oder ist es tatsächlich Martha, die immer noch phantasiert und bereits zum zweiten Mal ein Kind sieht, das plötzlich wieder im Nichts verschwindet? 

Atmosphärisch unter die Haut gehend, düster im November angesiedelt, in einem kleinen Dorf am Rande des Moors, so präsentiert sich Alma Lundts Psychothriller. Von der ersten Seite weg spürt der Leser die unheimliche Stimmung, die sich hier über Martha ausbreitet. Die sonderbare Gesellschaft in der abgeschieden gelegenen kleinen Gemeinde mit fast sektenartig anmutenden Bräuchen tut ihr Übriges. Schnell gerät man in einen Zwiespalt, wem man Glauben schenken soll – einer verrückt wirkenden Kinderärztin, die sich mehr als sonderbar aufführt, um etwas aufzudecken, was sie selbst kaum benennen kann oder ihrer Umgebung, die ihr helfen will, die Realität zu akzeptieren, nämlich, dass sie sich aufgrund von Schlafmangel und neuerlicher Tablettensucht etwas Irrationales zusammenreimt. Der Sog der Geschichte ist groß, die kurzen Kapitel lösen einander ab wie im Flug, die einfachen, kurzen Sätze erhöhen passend das Tempo. Verschiedene Andeutungen zur Vergangenheit unterstreichen noch Marthas Verwirrtheit, sodass der Leser selbst unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten hat, sich das Verhalten der Ärztin zu erklären. Die Auflösung, welche Alma Lundt präsentiert, ist grundsätzlich logisch und schlüssig, aber doch ein wenig überhastet dargestellt. Nach etlichen Wochen im undurchdringlichen Nebel der Gedanken geht das fast ein wenig zu schnell und lässt den Leser recht abrupt allein. 

Das Moorkind punktet durch eine besondere Atmosphäre und graue Charaktere, denen sich der Leser kaum annähern kann. Die gesamte Handlung ist düster und voller Ungewissheit, sodass man neugierig durch die Seiten huscht und sich mitnehmen lässt von Marthas Verzweiflung, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Ein interessanter Psychothriller, der gut ohne Gewaltszenen auskommt und den ich daher gerne weiterempfehle.

Titel            Das Moorkind
Autor          Alma Lundt
ASIN          B0BQ7R2BSD
Sprache     Deutsch
Ausgabe    ebook (294 Seiten)  
Erscheinungsdatum 6. Februar 2023
Verlag        Ullstein