Rezension

Was war und was es ist

Was es ist - Julia Willmann

Was es ist
von Julia Willmann

Bewertet mit 5 Sternen

Viola ist über 30, alleinstehend, erfolgreich im Beruf und....ja, und anfangs wirkt sie farblos. Doch es gibt vieles, was man über sie schreiben kann.
Sie ist einsam, in ihrer steril wirkenden Wohnung, belastet mit ihren Erinnerungen an eine nicht so schöne Kind- und Jugendzeit. In der Wärme, Liebe und Geborgenheit fehlte. Trotz allelm gebunden an ihre Eltern, die inzwischen alt und von Krankheit getroffen sind. Und da ist auch noch eine alte Liebe, Yannik, für den sie es nicht gewagt hat mutig genug zu sein um über ihren Schatten zu springen.

Auf diese Erzählung muss man sich einlassen. Muss auch die kleinen Hinweise in diesem knappen und doch eingängigen Stil bemerken.
Es wird nicht linear erzählt, Erinnerungseinschübe bringen erst nach und nach mehr ans Licht.
Meines Erachtens hat es die Autorin geschafft, mit ihrer ausdrucksstarken Erzählweise, die anfangs sehr kühl und vielleicht spröde klingt, sehr gefühlsstark die Kälte, die Einsamkeit, die  anfängliche Leere der Protagonistin wiederzugeben.

Es ist eine Geschichte, die auch beim Leser Fantasie, Verstehen, Emphatie und vor allem Verständnis erfordert. Erst im Laufe der Geschichte merkt man, wie viel mehr in der Vergangenheit liegt, die die Zukunft behindert.
Die Protagonistin Viola muss sich erst von ihrer Vergangenheit lösen um nach vorne schauen zu können. Doch im Buch ist sie erst auf der Suche nach Antworten nachdem sie die Nachricht einer lebensbedrohliche Erkrankung ihrer Mutter erhält. Es beginnt das erste Aufbrechen alter Strukturen. Eine Verschiebung der Abhänigkeiten, die manche Antworten liefert oder andere Prozesse in Gang setzt.

Es ist die Frage nach dem "was war" und dem "was es ist". Dabei bewirkt der Titel des Buches schon ein Nachsinnen. Ist es eine Frage, eine Aussage, betrifft es die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft ? Ein Interpretationsspielraum für den Leser.  Den es auch bei manchen anderen Szenen im Buch zu geben scheint, aber dennoch bin ich der Überzeugung, die kleinen Hinweise der Autorin lassen sich entdecken und auslegen.

Es ist keine heitere Geschichte, aber eine, die sicher nicht abwegig, sondern im Gegenteil, in unserer heutigen Gesellschaft viel öfters vorkommt als man meint.
Viola ist ein Spiegelbild manch einer einsamen Frau, mit einer nicht glücklichen Kindheit, die Bindungsängste hat, die sich in Erfolg flüchtet. Viola muss sich ihrer Vergangenheit stellen, ihren Eltern, ihren Beziehungen innerhalb dieser Familie und deren Auswirkungen auf ihre eigene Zukunft.
Nichts scheint einfach schwarz oder weiß, vieles, dass der Leser selbst bewerten muss. Manches wirkt nebulös, aber dass ist es gerade, was mir so gefallen hat. Man bekommt manches "vorgesetzt", manches muss man sich selbst erarbeiten, selbst bewerten.

Julia Willlmann hat mich mit diesem Buch gefesselt. Der ausdrucksstarke, niveauvolle Stil und die knappe und doch so aussgekräftige Erzählweise hat mich überzeugen können, hat mich berührt und mir Stoff zum Nachdenken beim Lesen gegeben. Mir gefällt es, wenn man beim Lesen auch selber Mit- und Weiterdenken muss, so wie hier !