Rezension

Weird West-Geschichten

Straße der Toten - Joe R. Lansdale

Straße der Toten
von Joe R. Lansdale

Bewertet mit 4 Sternen

Manchmal ist man einfach zwiegespalten. Auf der einen Seite weiß man um seine eigene Abneigung gegen Kurzgeschichten, auf der anderen Seite gibt es Autoren, von denen man einfach unbedingt alles lesen möchte. Und genau das ist hier der Fall, zumal “Straße der Toten” von Joe R. Lansdale nicht einfach eine Kurzgeschichtensammlung ist, sondern mit “Dead in the West” auch noch eine Novelle ins Gesamtpaket packt, die dann doch schon wieder interessant ist. Also, zurücklehnen und überraschen lassen war die Devise.

“Dead in the West” ist dann auch gleich die in meinen Augen stärkste Story des Buches. Der Leser wird mit der Figur des Reverend Jebediah Mercer bekannt gemacht und erlebt mit ihm gemeinsam seine erste Begegnung mit den Untoten. Es fällt hier schon auf, dass Lansdale in allen Geschichten aus “Straße der Toten” weniger auf Humor setzt, dafür seinem Ruf als Splatterpunk hier und da alle Ehre macht. Vor allem hier, denn das Finale der Geschichte ist absolut spritzig (im wörtlichen Sinn genommen) und stellt sogar die abschließende Auseinandersetzung in “From Dusk Till Dawn” in den Schatten, wobei man fast meinen möchte, dass Regisseur Rodriguez sich hier nicht nur für diese Sequenz so manche Inspiration geholt hat. Geradeaus nach vorne, gehörige Gewaltschlagseite und alles in allem eine runde Sache.

Weiter geht es dann mit der Titelgeschichte. Wesentlich kürzer ausgefallen als der Auftakt ist hier die Atmosphäre zwar noch etwas dichter, aber dafür fehlte mir etwas die Spannung, auch der Actionfaktor ist hier deutlich geringer ausgefallen als in der ersten Story. “Die Straße der Toten” ebnet dabei aber den Weg für die Entwicklung des Reverends, der von Geschichte zu Geschichte etwas düsterer, blasphemischer und misanthropischer zu werden scheint. Auch die Idee um die Wiedergänger war interessant und somit kann man auch “Straße der Toten” nicht als Ausfall bezeichnen.

Werwölfe! Im Wilden Westen! Ohne romantisch verklärten Mist! Das ist was! “Das Gentlemen’s Hotel” ist wieder mehr an die erste Story des Bandes angelehnt, actionreich und blutig. Dazu kommt eine ziemlich beklemmende, fast schon klaustrophobische Atmosphäre, die passt wie die Faust auf’s Auge. Und man beginnt sich zudem langsam die Frage zu stellen, wie der gute Jebediah seinen Pferdeverbrauch nur finanzieren kann.

Der Tiefpunkt von “Straße der Toten” war für mich dann die vorletzte Geschichte, “Schleichender Himmel”. Zwar ist die Stimmung hier nicht schlecht, vor allem die Atmosphäre ist wie in der vorangegangenen Story sehr beklemmend, allerdings blieb hier für mich die Spannung doch sehr auf der Strecke, irgendwie fehlte das Mitfiebern mit den Figuren. Schade, denn prinzipiell wäre hier mit Sicherheit mehr möglich gewesen.

Zum Abschluss geht es dann in “Tief unter der Erde” in die finsteren Schächte eine Silbermine. Jeb entwickelt langsam wieder etwas menschlichere Züge und auch der lansdaletypische Humor blitzt hier etwas öfters durch. Da er seinem Protagonisten wieder einiges von dessen Ernst genommen hat funktioniert das auch ganz gut und somit ist die Jagd auf eine Horde Goblins (!) zwar kein krönender, zumindest aber ein versöhnlicher Abschluss für einen unterhaltsamen Story-Band.

Fazit:

“Straße der Toten” lebt alles in allem in erster Linie von seiner düsteren Hauptfigur Reverend Jebediah Mercer und dessen Auslegung der Bibel und von Gottes Gesetzen. Zynisch, brutal und alles andere als kirchenkonform metzelt er sich durch die 5 zumeist recht blutigen Geschichten, die zumeist auch auf einem recht guten Niveau liegen. Einziger Einknicker ist “Schleichender Himmel”, was man aber auf Grund der sonstigen Qualitäten des Buches durchaus verkraften kann.