Rezension

Weit mehr als die Schilderung eines gewaltsamen Todes

Der große Mann - Chloe Hooper

Der große Mann
von Chloe Hooper

„Der große Mann: Leben und Sterben auf Palm Island“ ist im Original bereits 2008 erschienen und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Nun ist diese Reportage, dem Verlag Liebeskind sei Dank, endlich auch ihn deutscher Übersetzung erhältlich. Die Geschichte, die die australische Autorin Chloe Hooper darin erzählt, beruht auf einem tatsächlichen Ereignis, ist aber weit mehr als die Schilderung eines gewaltsamen Todes und des nachfolgenden Prozesses.

Der Vorfall trägt sich im November 2004 auf Great Palm Island zu, jener zu Queensland gehörenden Insel, die der Regierung als Abschiebelager und Ghetto für Aborigines dient und als äußerst gewalttätiger Ort bekannt ist. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 90 Prozent, Alkoholismus und Drogensucht ist weit verbreitet, Gewalt in jeglicher Form, Mord und Selbstmord gehören zur Tagesordnung. Es ist quasi ein rechtsfreier Raum.

Auf die ca. 2500 Einwohner kommen eine Handvoll Polizisten unter der Leitung von Christopher Hurley, einem „Großen Mann“, allesamt weiß. Hurley gefällt sich in seiner Rolle als Gesetzeshüter und harter Bursche, und so ist es nicht verwunderlich, dass er Respekt einfordert. Den Aborigines gegenüber fühlt er sich überlegen, gefällt sich in seiner Rolle als Gesetzeshüter. Und so jemandem muss man natürlich Respekt entgegenbringen.

Cameron Doomadgee, ein Aborigine, lässt diesen offenbar vermissen, als er in angetrunkenem Zustand kontrolliert wird und daraufhin das Lied „Who let the dogs out“ vor sich hin summt. Er wird verhaftet und auf die Wache transportiert, und eine knappe Stunde später liegt er tot am Boden. Angeblich ist er über eine Stufe gestolpert und hat sich dabei schwer verletzt. Ein blaues Auge, Blutergüsse am ganzen Körper, die Leber in zwei Teile gerissen, diverse gebrochene Rippen und eine Bauchvenenruptur. Zuerst passiert nichts. Erst als die Öffentlichkeit ihrer Empörung Luft macht, sieht sich der Generalstaatsanwalt genötigt zu reagieren und ein Gerichtsverfahren gegen Hurley einzuleiten.

Chloe Hooper erzählt nicht nur die Geschichte von Cameron Doomadgee, sondern zeichnet damit auch das Bild einer Gesellschaft, die sich auf Rassismus gründet. In der einer ganzen Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer Hautfarbe die Identität genommen wird. Die Aborigines werden ins Abseits gedrängt Grundrechte verweigert, Übergriffe werden durch die staatlichen Stellen geduldet, der Willkür ist Tür und Tor geöffnet – ein Leben ohne Perspektive, analog dem Umgang der US-Regierung/-Bürger mit den Afroamerikanern und den Natives. Hooper zeigt das Große im Kleinen, beschreibt eine erschütternde, australische Tragödie. Nachdrücklich empfohlen!