Rezension

Welch eine aufregende Zeit!

Stern 111 - Lutz Seiler

Stern 111
von Lutz Seiler

Bewertet mit 4.5 Sternen

Da ich bisher kein Werk des Autoren kannte, begab ich mich in lesender Weise auf Neuland.
Man bekommt hier einen Überblick der ersten Nachwendejahre der besonderen Art.
Es wird eine Familie dargestellt die im Strudel der Veränderung schwimmen.
Und die Veränderung ist gewaltig.
Die aufgeteilten zwei Erzählstränge erzählen einmal von einer langen Reise zum Sehnsuchtsort und einem Berliner Hausbesetzer Milleu.
Man bekommt einen Überblick der Protagonisten und diese polarisieren.
Nur Carls Eltern empfinde ich wird etwas zu wenig erzählt.
Aber es werden interessante Einblicke einer mir auch damals wie heute unbekannten Szene erzählt.
Das Kofferradio Stern 111 gehört als Verbinder in den Roman.
Und daher passt das Buchcover und der Titel schon zum Roman.
Einige Gefühle konnte ich gut nachvollziehen wie z.B. die Angst, dass man die neue Freiheit schnell wieder verlieren kann.
Aber Carl erfährt eine Änderung und das hat mir gefallen.
Die Handlungen des klugen Rudels waren für mich schon speziell aber interessant geschildert.
Gut aufgezeigt ist die Zerrissenheit der Familie.
Auch wie sich die Handlung am Ende erklärt.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist die eigene Sprache des Autors- da musste ich mich erst einmal einlesen, aber dann ging es.
Auch gab es leichte Längen welche man hätte etwas verknappen können, da sie den Lesefluss etwas zäher gestaltet haben.
Der Rückblick im Epilog bietet einen Rückblick aus Carls Perspektive was später noch geschah.
Das Nachwort des Autors lässt einem die Parallelen seines Lebens zum Roman vermuten.

 

Im Epilog dieses Wenderomans berichtet Carl aus der Ich-Perspektive im Rückblick, was danach noch geschah, erzählt von seiner verlorenen Liebe, von seinen vergeblichen Ambitionen als Lyriker und davon, wo Dodo, die allgegenwärtige Ziege von ‹Hoffi, dem Hirten›, abgeblieben ist. Stilistisch markant ist Lutz Seilers ausgesprochen poetische Sprache, mit der es ihm mühelos gelingt, die besondere, teilweise mystische Stimmung zwischen Anarchie und Romantik dieser Zeit für den Leser erlebbar zu machen. Gewisse Längen, insbesondere bei den Underground-Szenen mit ihrem irren Personal, schmälern leider ein wenig das ansonsten reichlich gebotene Lesevergnügen.